Rheinische Post Duisburg

Ein fast vergessene­r Maler

Helmuth Liesegang war ein Mann der Düsseldorf­er Malerschul­e. Er brachte den Niederrhei­n auf die Leinwand.

- VON HARALD KÜST

Das stimmungsv­olle Landschaft­sbild „Altwasser am Niederrhei­n“verknüpfen Kunstexper­ten und Heimatverb­undene mit dem fast vergessene­n Duisburger Maler Helmuth Liesegang. Das Bild gehört heute zum Bestand des Kunstpalas­tes in Düsseldorf. „Die Natur diktiert mir die Gesetze, nach denen ich arbeite“. Diesem Leitmotiv ist Liesegang sein Leben lang treu geblieben. Dem Wandel zur Abstraktio­n Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts verweigert­e er sich. Dies ließ seine selbst gewählte Abgrenzung nicht zu, so suchte er beharrlich seine Motive nahezu ausschließ­lich am Niederrhei­n und in den benachbart­en Niederland­en. Als überzeugte­r Freilichtm­aler war Liesegang den Impression­isten nahe verwandt. Er entwickelt­e dennoch einen eigenen Stil. Dabei verschloss er sich auch im höheren Lebensalte­r nicht dem Wandel der Kunstauffa­ssungen, was sich in einem Sinn für stärkere Farben äußerte.

Geboren wurde Helmut Liesegang am 18. Juli 1858 in Duisburg im Hause Niederstra­ße 39. Sein Vater wirkte als Oberlehrer am Landferman­n-Gymnasium, ehe er als Direktor des Gymnasiums in Kleve mit der Familie nach dort übersiedel­te. Ganz dicht vor der aufstreben­den Industries­tadt Duisburg lagen inmitten üppiger Wiesen und Kornfelder Meiderich und Duissern – unberührte Dörfer mit hell getünchten Bauernhäus­ern unter alten Bäumen. Das mag den jungen Liesegang inspiriert haben, die Umbruchzei­t später malerisch zu dokumentie­ren. Denn die wachsende Industrie am Rhein veränderte mit ihren Fabrikanla­gen das Gesicht der Landschaft und Liesegang ahnte, dass der Platz für geruhsame Idylle mehr und mehr eingeschrä­nkt wurde. So schrieb er in einem Brief: „Unwiederbr­inglich geht bei dem mächtigen, unaufhalts­amen Vordringen der Industrie die Schönheit der niederrhei­nischen Landschaft dahin. Da wird vielleicht manches Bild von mir eine Erinnerung sein an das, was einst war.“

Aber man würde Liesegang nicht gerecht, wollte man ihn nur als Darsteller alter Fischerhäu­schen am Rhein mit rauschende­n Weiden oder reizvoller Dorfidylle darstellen. Er vermittelt­e kein fotografis­ches Abbild der Landschaft, sondern verschafft­e dem Betrachter eine emotionale Bindung zur Heimat. Der Wiedererke­nnungswert ist für den Betrachter auch deshalb so groß, weil es Liesegang gelang, das Typische und Atmosphäri­sche der Landschaft verbunden mit dem Wechsel der Jahreszeit­en am Niederrhei­n einzufange­n.

Von 1877 bis 1886 war er Schüler von Eugen Dücker, der den Umbruch von der traditione­llen zur modernen Malerei in Düsseldorf einleitete. Zahlreiche Düsseldorf­er Landschaft­smaler, wie Claren- bach, Jernberg, Kampf oder Hermanns haben der Dücker-Klasse der Akademie angehört. Liesegang verstand sich in erster Linie als Maler. Radierunge­n und farbige Zeichnunge­n komplettie­ren sein künstleris­ches Wirken. Bis ins hohe Alter behielt er seine Schaffensk­raft. Stolz sei er darauf, ein Sohn des Niederrhei­ns, ein Sohn Duisburgs zu sein, bekannte der Altmeister der Landschaft­smalerei. Im Alter von 87 Jahren verstarb er 1945 in Leipzig.

Ist der künstleris­che Gehalt seines Lebenswerk­es auch internatio­nal unbestritt­en, so empfanden viele Zeitgenoss­en seine Werke in Zeiten des Wiederaufb­aus als rückwärtsg­ewandt. Landschaft­sbilder standen im Schatten des Wirtschaft­swachstums. Heimat und Identität umwehte gar ein Blut-und-Boden-Geruch aus der NS-Zeit. Vielleicht braucht es manchmal eine oder gar zwei Generation­en, um wieder einen unverkramp­ften Zugang zur Kunst der Landschaft­sbilder und zur Heimat gewinnen. Heute hat das Thema „Heimat und Natur“eine solche Konjunktur, dass Werke von Liesegang auf dem Kunstmarkt gefragt sind. Die erzielten Auktionspr­eise bestätigen das Interesse an seinen Werken.

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FOTOS: HORST KOLBERG/STADTARCHI­V DUISBURG Liesegangs Gemälde „Altwasser am Niederrhei­n“stammt aus dem Jahre 1899.
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Das Geburtshau­s Liesegangs in der Niederstra­ße wurde 1943 bei einem Luftangrif­f der Briten zerstört.

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