Von der großen und unerfüllten Liebe
Das Ballett der Deutschen Oper am Rhein übernahm das erste abendfüllende Handlungsballett „b.36 - Schwanensee“von Martin Schläpfer ins sein Duisburger Haus. Am Ende gab es zehn Minuten Jubel für alle.
Siegfried soll heiraten - und das gefällt ihm gar nicht. Mit seinem Freund Benno geht er auf die Jagd. Es wird immer später und plötzlich ist es Nacht. Tief im Wald wird er an einem geheimnisvollen See von einem fremden Mädchen magisch angezogen. Odette ist in einem bösen Zauber gefangen und kann nur, wenn es dunkel wird, für einige Stunden menschliche Gestalt annehmen. Das ist „Schwanensee“zur Musik von dem vor 125 Jahren gestorbenen Peter Tschaikowsky, das berühmteste Ballett aller Zeiten. Nun übernahm das Ballett der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg das erste abendfüllende Handlungsballett von Chefchoreograph Martin Schläpfer in sein Duisburger Haus, gut drei Monate nach der Düsseldorfer Premiere von „b.36 - Schwanensee“.
In der langen Aufführungstradition der Geschichte vom Prinzen, der sich in eine weiße Schwanenfrau verliebt, dann aber der Leidenschaft zu ihrem schwarzen Ebenbild erliegt und damit alle Unschuld vernichtet, hat es unzählige Deutungen gegeben. Doch gibt es keine Inszenierung, die sich nicht auf jene Petersburger Choreographie von Marius Petipa und Lew Iwanow bezieht, die in ihrer Harmonie und Grazie die Schwanenmetaphern so vollendet ins Bild setzt. dass dieser „Schwanensee“von 1895 zum Inbegriff des klassischen Balletts geworden ist. Klar, dass auch Martin Schläpfer diese Tradition mit einbezieht, etwa wenn er zur Brautschau Alexandra Schiess war die „Eisbrecherin“der neuen Scout-Runde, die die Rheinische Post zusammen mit der Rheinoper als Publikumsvertretung in die Opern- oder - wie jetzt Ballettpremieren ins Duisburger Stadttheater einlädt. Die Modedesignerin, die schon viele Ballett-Abende erlebt hat, zeigte sich überrascht, dass Martin Schläpfer diesmal mit „Schwanensee“ein Handlungsballett choreografiert hatte. Der Abend sei ergreifend und intensiv, wobei das Ensemble sowohl tänzerisch als auch schauspielerisch voll überzeugt habe. Annette Hausmann zeigte sich begeistert von Schläpfers Choreografie und Inszenierung des bekannten Balletts. „Dieser Schwanensee ist ein Hammer“, meinte Frau Hausmann, die als Lehrerin an einer Montessori-Schule im Duisburger Süden unterrichtet. Schläpfer habe die Kontraste – Weiß und Schwarz, Gut und Böse – überzeugend herausgearbeitet. Die eigenwilligen Musikpausen trügen dazu bei, dass man sich aufs Wesentliche konzentrieren konnte. Intelligent habe Schläpfer im ersten Akt Adelsstand und einfaches Volk zusammengebracht. Christiane Hain empfand den Abend ähnlich intensiv wie die meisten anderen Scoutmitglieder. Dieser „Schwanensee“sei dramaturgisch überaus gelungen. Das habe man auch bei den charakteristischen stummen Momenten gemerkt: das Publikum im voll besetzten Theater sei auffallend still, kaum ein Hüsteln sei zu hören gewesen. Die Mitarbeiterin im IT-Bereich einer Bank meinte, dass dies kein seichter „Schwanensee“gewesen sei, vielmehr konnte man davon gebannt sein. Sei empfahl den Ballettabend uneingeschränkt weiter. Michael Menge gestand, dass ihn besonders zu Beginn dieser Ballettabend „irritiert“habe. Er habe eine ganz andere Erwartungshaltung gehabt und war mehr als überrascht, dass im ersten Akt die Tänzer nicht in Kostümen, sondern in fast normaler Kleidung auf der Bühne standen. Der Designer und Inhaber einer Agentur für Gestaltung am Innenhafen fand sich aber im Laufe des Abends damit ab, nicht in eine „typische Ballettwelt“abtauchen zu können. Besonders nach der Pause bekam er den Eindruck, dass alles „zusammenpasste“. des Prinzen im Schloss zwar fast alle Nationaltänze streicht, dafür aber Prinzessinnen auftreten lässt, deren klassische Sprünge und Pirouetten ihr Selbstbewusstsein unterstreichen. Seine nicht nur in Duisburg längst wohlbekannte, ebenso körperliche wie ausdrucksstarke Tanzsprache entführt uns diesmal in ein dreistündiges Märchen der Schwarzen Romantik.
Nur im zweiten der vier Akte stockt der Fluss ein wenig, weil der Choreograph dort immer wieder seine üblichen Kunstpausen zwischen die Musiknummern setzt. Insgesamt wird hier aber mit Tschaikowskys Musik sehr respektvoll umgegangen. Es erklingt im Prinzip die komplette Partitur, was schon bei der Uraufführung 1877 in Moskau nicht der Fall war, hier nur mit einigen kleinen Umstellungen und Kürzungen. Die Duisburger Philharmoniker widmen sich dem klangschön und meist schwungvoll, dafür sorgt der 1988 in Usbekistan geborene Rheinopern-Kapellmeister Aziz Shokhakimov. Und auf der Bühne sind es vor allem Marcos Menha und Marlúcia do Amaral als „weißes Paar“sowie Camille Andriot und Sonny Locsin als „schwarzes Paar“, die uns in ihren Bann ziehen. Gut auch Virginia Segarra Vidal als dominante Prinzen-Mutter.
Es gibt noch Karten für die weiteren Aufführungen am 5., 19. und 27. Oktober, 21. und 22. Dezember sowie 8. Januar, jeweils um 19.30 Uhr, 7. Oktober und 26. Dezember, jeweils um 18.30 Uhr, sowie am 4. November, um 15 Uhr, im Internet unter karten@theater-duisburg.de. Myriam Kasten konnte nicht nachvollziehen, weshalb Schläpfer die Rollen der „guten“Odette und der „bösen“Odile von zwei Tänzerinnen darstellen ließ und nicht, wie bei den meisten „Schwanensee“-Aufführungen von einer Tänzerin, die mal den weißen, mal den schwarzen Schwan verkörpern. Über Schläpfers Begründung, die im Programmheft nachzulesen ist, möchte die Touristikerin nochmal nachdenken. Ansonsten fand sie die Inszenierung trotz einiger störender Momente „insgesamt toll“.