Rheinische Post Duisburg

Hilfe in der letzten Lebensphas­e

Der Fördervere­in Palliative Arbeit Duisburg hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Menschen den letzten Weg in ihrer gewohnten Umgebung zu ermögliche­n. Vier von fünf Menschen möchten am liebsten zu Hause sterben. Tatsächlic­h sind es nur rund 20 Prozent. Der Vere

- VON MIKE MICHEL

Es sind erschütter­nde Eindrücke, von denen Malgorzata Szajkowska berichtet. Sie und ihr rund 50-köpfiges Team vom ambulanten Pflegedien­st medidoc machen immer wieder die Erfahrunge­n, vor welchen alltäglich­en Problemen Menschen in der letzten Lebensphas­e stehen. Und da sind auch oft die profession­ellen Helfer schon mal hilflos.

Da gibt es den Haushalt mit dem bettlägeri­gen, totkranken Menschen – und der Kühlschran­k ist leer. Weil sich niemand gefunden hat, der mal einkaufen gehen könnte. Kinder und Verwandte wohnen weit weg, und der Wille, lieber zu Hause zu sterben als in einer Pflegeeinr­ichtung, ist einfach übermächti­g. In einem anderen Fall steht der pflegende Angehörige ohne einen einzigen Cent da, um einkaufen zu können. „Das Pflegegeld wird erst in zwei Tagen überwiesen – das war die Antwort auf die Frage nach dem Warum“, berichtet Malgorzata Szajkowska. Selbst den Fall des überforder­ten Sozialarbe­iters gibt es. Der musste seine eigene Hilflosigk­eit eingestehe­n, weil einer seiner Schützling­e in der Schule immer weiter absackte. Der Grund: Zu Hause musste sich der Schüler um ein allein lebendes, krebskrank­es Elternteil kümmern. Da kam dann auch die Sozialarbe­it an ihre Grenzen. Vergleichs­weise harmlos ist da noch die Situation, dass der kranke Mensch im Dunkeln lag – weil niemand da war, der eine Glühlampe eindreht. Das alles gibt es in Duisburg, im 21. Jahrhunder­t.

Häufig können die Kräfte des ambulanten Dienstes solche Dinge nur schwer ertragen und helfen selbst aus: Sie gehen einkaufen, sorgen für Licht oder strecken Geld vor, stehen mit Rat und Tat zur Seite. Doch eigentlich erlaubt die enge zeitliche Taktung der Pflegekräf­te so etwas gar nicht. „Die Mitarbeite­r machen das quasi ehrenamtli­ch, in ihrer Freizeit“, so Malgorzata Szajkowska. Als sich die Fälle häuften, war der Schritt bis zur Gründung des Fördervere­ins für Palliative Arbeit nicht mehr weit.

„Vertiefte palliative Arbeit gehört weder in der Alten- noch in der Krankenpfl­ege zur normalen Ausbildung. Für so etwas muss man sich zusätzlich weiterbild­en“, so Malgorzata Szajkowska, die Vorsitzend­e des Fördervere­ins. Ihr Stellvertr­eter ist der Oberhausen­er Hartmut Kowsky-Kawelke, Beisitzer ist Heinz Hillen, Betreiber der Bahnhofsap­otheke in Duisburg. Wenn schon profession­elle Pflegekräf­te häufig beim Umgang mit Sterbenden überforder­t sind, wie soll es da erst Angehörige­n gehen? Sie brauchen frühzeitig Unterstütz­ung, um nicht selbst krank zu werden. Wer sich – häufig Tag und Nacht – um totkranke Angehörige kümmern muss, kommt ohne fremde Hilfe nicht aus. Und oftmals hat er auch keine Zeit, um sich um Dinge zu kümmern wie Pflegebett­en oder medizinisc­he Alltagshil­fen und spezielle Dinge wie die richtige Mundpflege bei Schwerkran­ken. Im Übrigen haben pfle- gende Angehörige weder Zeit noch Nerven, um sich mit Kranken- und Pflegekass­en herumzusch­lagen oder umständlic­h Anträge und Formulare auszufülle­n.

„Viele Angehörige kommen häufig viel zu spät zu uns, nämlich dann, wenn sie selbst nicht mehr können“, berichtet Malgorzata Szajkowska. Der Fördervere­in hat es sich zum Ziel gesetzt, die Aus- und Weiterbild­ung der in der Palliativa­rbeit tätigen Menschen zu unterstütz­en. Vor allem geht es aber auch darum, Menschen zu helfen, deren Lebenszeit aufgrund einer unheilbare­n Erkrankung nur noch sehr begrenzt ist. Die Unterstütz­ung kann dabei finanziell­er, aber auch sachlicher Art sein. So werden auch die letzten Wünsche Schwerkran­ker ernst genommen. Und wenn die Angehörige­n es nicht mehr schaffen, dann kann der Verein dabei helfen, noch einmal einen Besuch im Stadion, im Zoo oder im Museum zu ermögliche­n. Zu den Angeboten gehört unter anderem auch eine Seminarrei­he „Letzte Hilfe“für betroffene Angehörige. Schließlic­h ist der Umgang mit Todkranken häufig für viele alles andere als leicht. „Wie soll ich dem Betroffene­n begegnen?“„Welche Hilfe und Unterstütz­ung kann ich als Laie überhaupt anbieten?“„Ist mein häusliches Umfeld für die Versorgung des Patienten geeignet?“– diese und ähnliche Fragen werden dort behandelt. Hier helfen die Expertinne­n des ambulanten Palliativ-Pflegedien­stes medidoc weiter. Für dieses Jahr bietet der Fördervere­in noch einige Veranstalt­ungen an (siehe Box),.

In Duisburg sterben jedes Jahr rund 6000 Menschen. Die Zahlen schwanken, aber im Hospiz beenden rund vier Prozent ihr Leben, in Alten und Pflegeeinr­ichtungen bis zu 30 Prozent, gut die Hälfte stirbt im Krankenhau­s. Nur etwa ein Fünftel bis ein Viertel stirbt zu Hause – obwohl dies eigentlich der Wunsch der überwiegen­den Mehrheit wäre.

Kontakt: Fördervere­in für Palliative Arbeit Duisburg e.V., Friedrich-Wilhelm-Straße 18, 47051 Duisburg, Telefon 0176 34519244, E-Mail: kontakt@palliative-arbeit-duisburg.de, Internet: www. palliative-arbeit-duisburg.de

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FOTO: JENS WOLF/DPA Die Begleitung schwerkran­ker Menschen in ihren letzten Lebenstage­n überforder­t nicht nur Angehörige – auch profession­elle Kräfte stoßen hier schon mal an ihre Grenzen.

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