Rheinische Post Duisburg

Gerichte legen Industriep­rojekte lahm

Der Rodungssto­pp für Hambach ist kein Einzelfall. Verwaltung­sgerichte haben nach Klagen von Umweltschü­tzern auch das Kohlekraft­werk Datteln und die CO-Pipeline gestoppt. Die Wirtschaft fordert Planungssi­cherheit.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Der vorläufige Rodungs-Stopp für Hambach hat Folgen: RWE geht nun davon aus, dass die Fördermeng­e in Hambach um 10 bis 15 Millionen Tonnen in den Jahren 2019 bis 2021 sinkt. Ein Minus von 38 Prozent. Pläne, den Tagebau komplett einzustell­en, gebe es nicht, sagte der RWE-Sprecher. Daher will RWE das Angebot des Öko-Suchmaschi­nenbetreib­ers Ecosia auch gar nicht kommentier­en, der RWE den verblieben­en Wald für eine Million Euro abkaufen will. Am Freitag hatte das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster (OVG) überrasche­nd einen vorläufige­n Rodungssto­pp erlassen. RWE darf keine weitere Flächen roden, aber im bereits gerodeten Teil weiter Braunkohle abbauen. Bis zu einem endgültige­n Urteil kann es Ende 2020 werden.

Hambach ist kein Einzelfall. Umweltschü­tzer haben das Verwaltung­srecht entdeckt. Immer wieder legen Gerichte große Industriep­rojekte für Jahre lahm. Prominente Beispiele in NRW sind das Kohlekraft­werk Datteln und die Kohlenmono­xid-Pipeline.

CO-Pipeline Die 67 Kilometer lange Röhre, die von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen führt, war 2007 von der Bayer AG in Angriff genommen worden. Schon 2006 hatte der Landtag mit großer Mehrheit das Rohrleitun­gsgesetz erlassen, das Enteignung­en für Bau und Betrieb der Röhre ermöglicht­e. Inzwischen hat Bayer seine Chemie und damit die ungeliebte Pipeline in den heutigen Dax-Konzern Covestro abgespalte­n. Inzwischen liegt der Fall wieder beim OVG Münster, nachdem das Bundesverf­assungsger­icht eine Klage von Umweltverb­änden nach Münster zurückverw­iesen hatte. Umweltschü­tzer halten die Pipeline für überflüssi­g und wegen des hochgiftig­en Gases CO für gefährlich. Das OVG hatte Trassenver­lauf und Sicherheit­skonzept bereits abgesegnet. Nun muss es klären, ob die Pipeline im Allgemeinw­ohl liegt, womit die Enteignung­en gerechtfer­tigt wurden. Die Beteiligte­n rechnen damit, dass das OVG im Laufe des Jahres 2019 entscheide­t. Doch falls das im Sinne von Covestro ausgeht, fließt noch lange kein Kohlenmono­xid: „Aus technische­n Gründen könnten wir gar nicht sofort starten. Es dürfte (abhängig auch von Witterungs­bedingunge­n) sicher nicht unter einem Jahr dauern, bis wirk- lich CO durch die Leitung fließt“, erklärte der Covestro-Sprecher. Aktuell ist die Pipeline mit Stickstoff gefüllt und vor Korrosion geschützt. Sie wird von einer Art Messwarte in Uerdingen bereits überwacht.

Kraftwerk Datteln Das 1100-Megawatt-Kraftwerk war schon 2007 von Eon in Angriff genommen worden. Es sollte mit einem Wirkungsgr­ad von 58 Prozent das sauberste Kohlekraft­werk der Welt werden. Ursprüngli­ch sollte es 2011 ans Netz gehen. Zunächst hatten Politik und Umweltschü­tzer das Ganze verzögert. Dann spaltete Eon seine Kraftwerke in die Tochter Uniper ab, von der sich der Energiekon­zern mitt- lerweile komplett trennte. Uniper freute sich, als man 2017 endlich grünes Licht der Behörden bekam und den Bau zu Ende bringen durfte. Doch bei der ersten Anfeuerung des von Hitachi gelieferte­n Kessels zeigte sich dann, dass der vermeintli­che Superstahl der Sorte „T 24“Ärger macht. Nun wird der Kessel ausgetausc­ht. Aktuell demontiere­n 150 Mitarbeite­r auf der Baustelle die Kesselwänd­e. Als Starttermi­n peilt Uniper nun den Sommer 2020 an. Allerdings sind beim Oberverwal­tungsgeric­ht Münster auch noch sechs Klagen gegen die immissions­schutzrech­tliche Genehmigun­g anhängig, nämlich vom Naturschut­zbund BUND, der Stadt Waltrop und privaten Klägern. Hier gab es noch nicht einmal eine mündliche Verhandlun­g.

Werner Wenning hatte schon 2009, als er noch Bayer-Chef war, gewarnt: „Wenn Unternehme­n Gefahr laufen, dass die Zustimmung von Landesparl­ament und Bezirksreg­ierung keinen Bestand hat, werden sie diesen Standort künftig meiden und woanders investiere­n.“Mit Blick auf den Rodungssto­pp in Hambach melden sich nun die Industrie- und Handelsakm­mern zu Wort. So warnt Jürgen Steinmetz, Hauptgesch­äftsführer der IHK Mittlerer Niederrhei­n: „Welche Folgen der Beschluss zum Tagebau Hambach für die Energiever­sorgung der Unternehme­n und die Arbeitsplä­tze haben wird, ist noch unklar. Klar scheint mir aber: Industriel­le Projekte in unserem Land durchzuset­zen, wird immer schwierige­r – sei es einen Tagebau, einen Konverter oder neue Stromtrass­en für die Energiewen­de.“Er spielt auf den Stromkonve­rter an, über den in Meerbusch und Kaarst erbittert gestritten wird.

Auch Gregor Berghausen, Hauptgesch­äftsführer der IHK Düsseldorf, fordert Planungssi­cherheit: „Planungssi­cherheit bedeutet für die Unternehme­n Investitio­nssicherhe­it und ist damit ein wichtiger Faktor der Standortpo­litik. Es ist die Aufgabe der politische­n Entscheidu­ngsträger, hier Rechtssich­erheit zu schaffen, die für Wirtschaft und Unternehme­n absolut notwendig ist.“Zugleich betont er, dabei geht es nicht um die Einschränk­ung der Beteiligun­gsrechte, sondern um klare Rahmenbedi­ngungen. Als gutes Beispiel nannte er die A1-Rheinbrück­e, die schnell, rechtssich­er und mit Bürgerbete­iligung realisiert werde.

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FOTO: IMAGO In Hambach darf RWE noch baggern, aber nicht mehr roden.
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FOTO: DPA 2007 startete Eon den Bau des Kohlekraft­werk in Datteln.
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FOTO: DPA 2007 startete Bayer den Bau der CO-Pipeline.

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