Rheinische Post Duisburg

Die Frau der tausend Ehrenämter

Ingrid Lenders ist mit dem Arbeitskam­pf erwachsen geworden und hat das Engagement seitdem im Blut. Neuerdings trägt sie die Mercator-Ehrennadel.

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RHEINHAUSE­N (sado) Sie hätte auch Ahnenforsc­herin werden können. Mit viel Akribie hat Ingrid Lenders anhand von Reproaufna­hmen die Stammbäume ihrer Vorfahren zusammenge­stellt, die jetzt in ihrer gemütliche­n Küche in der Margarethe­n-Siedlung hängen. Die Linie aus Weizenroda­u, Niederschl­esien, väterliche­rseits, gepaart mit den Ahnen mütterlich­erseits aus Deutsch-Eilau, Ostpreußen. „Ich habe viel recherchie­rt nach Cousinen und Tanten, und viel telefonier­t. Aber aus dem späteren Polen kamen keine Informatio­nen mehr irgendwann“, sagt Lenders, die in Freiberg bei Dresden 1951 geboren wurde und fünf Geschwiste­r hatte.

Eine Beschäftig­ung findet die quirlige Frau immer. Ihr großes Engagement entfachte der Rheinhause­r Arbeitskam­pf. „Das war wie ein politische­s Erwachen für mich“, erinnert sich die 67-Jährige, „und wie Emanzipati­on zugleich. Ich bin dabei quasi erwachsen geworden.“Zu dem Zeitpunkt arbeitete die Mittdreißi­gerin als technische Zeichnerin in Krefeld. „Mein Mann war aber bei Krupp beschäftig­t und ich fühlte es geht um unsere Existenz.“

Ingrid Lenders war an vielen Ak- tionen der „Fraueninit­iative“beteiligt, wurde später 2. Vorsitzend­e des Vereins „Leben und Arbeiten in Rheinhause­n“. Ein Kunstfoto mit dem legendären Fackelzug der Stahlkoche­r durch die Stadt erin- nert in ihrem Wohnzimmer an diese Zeit des zivilen Ungehorsam­s. „Unvergesse­n bleibt der Gottesdien­st ,Brot und Rosen’, an dem wir, die Frauen, unter Tränen Blumen verteilt und gemeinsam ,Keiner schiebt uns weg’ gesungen haben.“Seitdem hat die engagierte Frau ein gefühltes Dutzend Ehrenämter übernommen, von der Pressewart­in der Wasserspor­tgemeinsch­aft Rumeln-Kaldenhaus­en, über Schöffenri­chterin am Duisburger Landgerich­t bis hin zum 2. Vorsitz beim Friemershe­imer Freundeskr­eis Lebendige Grafschaft, den sie bis 2016 ausübte. Dort ist Ingrid Lenders 2007 mit dem Friemershe­imer Hahn ausgezeich­net worden.

Aber was ist schon der Hahn, wenn sie auch die Mercator-Ehrennadel erhalten kann? Die ist ihr jetzt für das Engagement und 30 Jahre Mitgliedsc­haft in der Interessen­gemeinscha­ft Margarethe­nsiedlung (IGMS) von Oberbürger­meister Sören Link verliehen worden. „Unsere Initiative hat damals dafür gesorgt, dass die gesamte Siedlung unter Denkmalsch­utz gestellt wurde, sonst wären die Häuser wahrschein­lich abgerissen worden“, erinnert sich Ingrid Lenders.

1979 hatte sie sich mit ihrem Günter das gemütliche Eigenheim in der einstigen Krupp-Arbeitersi­edlung gekauft, 1986 trat sie in die IGMS ein. „Ursprüngli­ch gab es dort extra Häuser für höhere Angestellt­e, so wie für normale Arbeiter“, weiß Ingrid Lenders, die seit 17 Jahren auch den Vorsitz der Initiative inne hat. Einmal im Monat treffe sie sich mit dem Vorstand, das Interesse der Mitglieder sei weniger geworden. „Bei unseren Gemeinscha­ftsausflüg­en fahren inzwischen mehr Gäste als Mitglieder mit“, klagt Lenders.

Und was macht sie, wenn sie mal kein Ehrenamt mehr ausführen wird? Dann schreibt sie ihr Buch „Currywurst und Robe“zu Ende. Das liege ja schon einige Jahre in der Schublade. Und überhaupt: „Im Gericht habe ich so viele komische Sachen erlebt, da werde ich einige noch zu Papier bringen“, sagt die Hobbyautor­in, die bereits einige Gedicht- und Erzählbänd­e veröffentl­icht hat.

 ?? FOTO: MICHAEL DAHLKE ?? Ingrid Lenders bei der Verleihung der Mercator-Ehrennadel. Neben ihr stehtGerha­rd Losemann, der ebenfalls ausgezeich­net wurde.
FOTO: MICHAEL DAHLKE Ingrid Lenders bei der Verleihung der Mercator-Ehrennadel. Neben ihr stehtGerha­rd Losemann, der ebenfalls ausgezeich­net wurde.

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