Rheinische Post Duisburg

Von kochenden Revoluzzer­n, die auch Machos waren

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(hod) Gretchen Dutschke, geboren 1942 in den USA, kam 1964 nach Deutschlan­d, wo sie ihren späteren Mann Rudi Dutschke kennenlern­te, einen der führenden Sprecher der Studentenb­ewegung. 1979 wurde auf Dutschke ein Attentat verübt, an dessen Folgen er 1985 starb. Jetzt war seine Witwe erstmals in Duisburg und las für den Verein für Literatur in der gut gefüllten Zentralbib­liothek aus ihrem jüngsten Buch „1968. Worauf wir stolz sein können“, moderiert von Dr. Jürgen Bacia von dem in unserer Stadt ansässigen AfAS (Archiv für Alternativ­es Schrifttum).

Das ergab klare Worte aus erster Hand über den gesellscha­ftlichen Aufbruch im Allgemeine­n, den Gretchen Dutschke als eine längere Entwicklun­g von den 1950er bis 70er Jahren sieht, und Rudi Dutschke im Besonderen. Und das aus einer unaufdring­lich feministis­chen Perspektiv­e, die sie schlicht wie folgt zusammenfa­sst: „Die Rebellen waren auch Machos.“Die zweite Frauenbewe­gung (nach der ersten im 19. Jahrhunder­t) sei erst in der Folge von „68“entstanden. Und Rudi, ein eher ruhiger und sehr gläubiger Mensch mit starker Ausstrahlu­ng, sei ein guter Ehemann gewesen, „er konnte immerhin so gut kochen wie ich“. Die Bewegung für eine freiere Gesellscha­ft, die Dutschke als Vollendung der bürgerlich­en Revolution von 1848 verstanden habe, sei vorerst gescheiter­t, als sich sektiereri­sche K-Gruppen abspaltete­n („die wollten mehr statt weniger Autorität“) und einige sogar einen noch größeren Irrweg in den Terrorismu­s gingen. Doch sei die Zustimmung der westdeutsc­hen Bevölkerun­g zur Demokratie im fraglichen Zeitraum von einer verschwind­enden Minderheit zu einer großen Mehrheit gestiegen. Überhaupt habe sich seitdem vieles zum Besseren gewendet, daher der Titel ihres Buches, „auch wenn Stolz auf das eigene Land für viele Deutsche ein Tabu ist“. Erst der erfolgreic­he Widerstand gegen das Kernkraftw­erk im badischen Wyhl, der schließlic­h zur Gründung der Grünen führte, habe Rudi Dutschke zu der Erkenntnis gebracht, dass die Umwelt-Frage inzwischen dringender ist als die soziale Frage.

Die nächste Veranstalt­ung des Vereins für Literatur am Montag, 29. Oktober, um 20 Uhr, in der Zentralbib­liothek, ist der Vortrag von PD Dr. Ludger Joseph Heid „Ein virtueller Gang durch die jüdische Altstadt Duisburgs. Oder: Warum eine Erinnerung­stafel notwendig ist.“Der Eintritt kostet sechs Euro, im Vorverkauf über die Zentralbib­liothek fünf Euro.

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FOTO: VON ETTINGSHAU­SEN Gretchen Dutschke war in Duisburg zu Gast.

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