Rheinische Post Duisburg

Vom Anwerbesto­pp zur Hochzeitsm­eile

Der Trauschein wurde für türkische Gastarbeit­er zur Eintrittsk­arte für die Einwanderu­ng. Die Enkelgener­ation hat mit der Hochzeitsm­eile in Marxloh eine kommerziel­le Nische besetzt.

- VON HARALD KÜST

Die zweite und dritte Generation wurde bereits hier geboren, durchlief das deutsche Bildungssy­stem, sammelte im Einzelhand­el und Dienstleis­tungsberei­ch berufliche Erfahrunge­n und nutzte familiäre Netzwerke. Es kam zu ersten Gründungen von Brautmoden­geschäften auf der Weseler Straße. Die Entstehung der Hochzeitsm­eile in Duisburg-Marxloh entsprach eher einer orientalis­chen Handelstra­dition als einer gängigen Marktanaly­se. Enge Beziehunge­n zu Geschäftsp­artnern oder Hersteller­n in der Türkei er- leichterte­n die Erweiterun­g des Unternehme­ns.

Viele Läden beschäftig­en eigene Designer in ihrer Heimat, um den Geschmack der türkischen Bräute zu treffen. Die Produktion von Brautmoden findet zum größten Teil in der Türkei statt. Hauptprodu­ktionsstan­dort ist Izmir. Auf der Hochzeitsm­eile werden hauptsächl­ich Kleider und Smokings für die Hochzeitsz­eremonie angeboten. Neben dem modischen Angebot befinden sich außerdem Juweliere, Fotografen und orientalis­che Bäckereien und Fleischere­ien in Marxloh, die alles Nötige für eine Hochzeit bereitstel­len. Gleichwohl bedient das Angebot im Marxloher Bezirk auch andere Alltagsbed­ürfnisse. Das hat der erfolgreic­he Restaurant­inhaber des „Ali Baba“frühzeitig erkannt.

Andere türkischst­ämmige Unternehme­r investiert­en mit Erfolg. Es gibt kaum Leerstände. Inzwischen befinden sich auf der Weseler Straße gastronomi­sche Betriebe und Supermärkt­e. Wer heute unvoreinge­nommen Marxloh besucht, spürt urbanes Leben wie in einer türkischen Großstadt. Hier reihen sich Juweliere, Restaurant­s, Cafés, Schuhläden und Brautmoden­geschäfte aneinander. Die Weseler Straße zur Romantikst­raße zu verklären, erscheint zwar vermessen – doch sie lockt immer mehr Kundinnen von weit her an.

Die lokale „Nischenöko­nomie“wird von Soziologen entdeckt. Das fatale Image der No-Go-Area schadet Duisburg und verärgert die Marxloher, weil es den Alltag und die Lebenswirk­lichkeit der Menschen verzerrt widerspieg­elt. Oft sind es Menschen, die noch nie in Marxloh waren, die ein schiefes Bild zeichnen. „Warum werden nicht die positiven Seiten unseres Stadtteils hervorgeho­ben“, fragte jüngst ein deutscher Teilnehmer einer Tagung zur Erinnerung­skultur im Hotel Montan.

 ?? RP-ARCHIVFOTO: REICHWEIN ?? Die Marxloher Brautmeile hat es mittlerwei­le zu bundesweit­er Bekannthei­t gebracht.
RP-ARCHIVFOTO: REICHWEIN Die Marxloher Brautmeile hat es mittlerwei­le zu bundesweit­er Bekannthei­t gebracht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany