Vom Anwerbestopp zur Hochzeitsmeile
Der Trauschein wurde für türkische Gastarbeiter zur Eintrittskarte für die Einwanderung. Die Enkelgeneration hat mit der Hochzeitsmeile in Marxloh eine kommerzielle Nische besetzt.
Die zweite und dritte Generation wurde bereits hier geboren, durchlief das deutsche Bildungssystem, sammelte im Einzelhandel und Dienstleistungsbereich berufliche Erfahrungen und nutzte familiäre Netzwerke. Es kam zu ersten Gründungen von Brautmodengeschäften auf der Weseler Straße. Die Entstehung der Hochzeitsmeile in Duisburg-Marxloh entsprach eher einer orientalischen Handelstradition als einer gängigen Marktanalyse. Enge Beziehungen zu Geschäftspartnern oder Herstellern in der Türkei er- leichterten die Erweiterung des Unternehmens.
Viele Läden beschäftigen eigene Designer in ihrer Heimat, um den Geschmack der türkischen Bräute zu treffen. Die Produktion von Brautmoden findet zum größten Teil in der Türkei statt. Hauptproduktionsstandort ist Izmir. Auf der Hochzeitsmeile werden hauptsächlich Kleider und Smokings für die Hochzeitszeremonie angeboten. Neben dem modischen Angebot befinden sich außerdem Juweliere, Fotografen und orientalische Bäckereien und Fleischereien in Marxloh, die alles Nötige für eine Hochzeit bereitstellen. Gleichwohl bedient das Angebot im Marxloher Bezirk auch andere Alltagsbedürfnisse. Das hat der erfolgreiche Restaurantinhaber des „Ali Baba“frühzeitig erkannt.
Andere türkischstämmige Unternehmer investierten mit Erfolg. Es gibt kaum Leerstände. Inzwischen befinden sich auf der Weseler Straße gastronomische Betriebe und Supermärkte. Wer heute unvoreingenommen Marxloh besucht, spürt urbanes Leben wie in einer türkischen Großstadt. Hier reihen sich Juweliere, Restaurants, Cafés, Schuhläden und Brautmodengeschäfte aneinander. Die Weseler Straße zur Romantikstraße zu verklären, erscheint zwar vermessen – doch sie lockt immer mehr Kundinnen von weit her an.
Die lokale „Nischenökonomie“wird von Soziologen entdeckt. Das fatale Image der No-Go-Area schadet Duisburg und verärgert die Marxloher, weil es den Alltag und die Lebenswirklichkeit der Menschen verzerrt widerspiegelt. Oft sind es Menschen, die noch nie in Marxloh waren, die ein schiefes Bild zeichnen. „Warum werden nicht die positiven Seiten unseres Stadtteils hervorgehoben“, fragte jüngst ein deutscher Teilnehmer einer Tagung zur Erinnerungskultur im Hotel Montan.