Rheinische Post Duisburg

Ein Gasometer für Genießer

Als europaweit einmaliges Projekt wird in Wuppertal ein ehemaliger Gasbehälte­r umgebaut. Entstehen sollen darin ein Restaurant und ein Fitnesscen­ter. Für die Architekte­n eine Herausford­erung, gibt es doch keine Erfahrungs­werte.

- VON MARION MEYER

WUPPERTAL Mit seinen 66 Metern Höhe überragt er alle umliegende­n Häuser und lässt sie wie Kinder-Spielzeug aussehen. Der Gaskessel Heckinghau­sen ist so etwas wie das Wahrzeiche­n des Wuppertale­r Ostens, trotzdem war das Industried­enkmal lange vom Abriss bedroht. Nun gibt es eine Zukunft für den Stahlkolos­s: Während die Hülle erhalten bleibt, wird er innen bebaut – ein bisher einmaliges Projekt.

Im Inneren entsteht ein 4,5-stöckiges Gebäude, das künftig Gastronomi­e und ein Fitnesscen­ter beherberge­n soll. Und der Gaskessel soll zum touristisc­hen Anziehungs­punkt werden: Von der Aussichtst­errasse auf dem Dach kann der Blick in die Weite schweifen. Im Inneren soll eine Lichtshow – „europaweit einmalig“, so Investor Thomas Drescher – den unbebauten Raum spektakulä­r illuminier­en. Nächstes Frühjahr soll der Gaskessel eröffnen.

„Hier gibt es keine Fertiglösu­ngen. Alles muss

entwickelt werden“

Marcello Groß

Architekt

Doch bis dahin müssen die Bauherren noch einige Hürden meistern. „Hier gibt es keine Fertiglösu­ngen. Alles muss speziell für diesen Bau entwickelt werden“, sagt Architekt Marcello Groß vom GKM Architektu­r Studio. Gemeinsam mit Drescher und seinem Kompagnon Daniel Mai kaufte er den Gaskessel von den Wuppertale­r Stadtwerke­n. 1997 war der Scheibenga­sbehälter stillgeleg­t worden und wartet seitdem auf eine neue Nutzung.

Bereits im April 2017 begann der Umbau. Doch es gab immer wieder Verzögerun­gen. „Die Logistik war die größte Herausford­erung“, sagt Marcello Groß. Da der Gaskessel unter Denkmalsch­utz steht, durften die Architekte­n nur ein vier Meter hohes und 2,90 breites Loch in die Hülle schneiden. Dort mussten alle Teile durch – inklusive Kran. Der wurde in drei Teilen geliefert und innen zusammen gebaut.

Als erstes entstand in der Mitte ein Treppenhau­s mit Aufzug. Obendrauf steht nun der Kran, der auch dort bleiben muss. Mit seiner Hilfe konnte das Haus im Inneren des Gaskessels aus Betonteile­n gebaut werden. „Die Teile durften aber nicht mehr als fünf Tonnen wiegen, denn mehr schafft der Kran nicht“, sagt Groß. Deshalb mussten Abschnitte der Betonträge­r vor Ort gegossen werden.

Das runde (oder eher polygonale) Haus empfindet die äußere Hülle des Gaskessels mit seinen

20 Ecken nach. Zum Vergleich: Der als Kunstraum genutzte Gasometer in Oberhausen ist etwas größer, nämlich 117 Meter hoch, und besitzt 24 Ecken. Beide sind Scheibenga­sbehälter. Auch im Wuppertale­r Gaskessel ist die tonnenschw­ere Scheibe, die den Gasdruck einst regulierte, noch in Teilen zu sehen. Um die denkmalges­chützte Konstrukti­on sichtbar zu lassen, haben die Architekte­n nur dreivierte­l der Fläche bebaut, ein Viertel, wie ein großes Kuchenstüc­k, bleibt erhalten und gestattet auch von unten den Blick nach oben unter das mit Fenstern gespickte Dach.

Später sollen noch 36 Öffnungen in die Blechwände des Kessels geschnitte­n werden, damit mehr Tageslicht hereinkomm­t. An diesen Stellen haben die Architekte­n die entspreche­nden Abschnitte schon mit Stahlträge­rn verstärkt, „denn die Blechwände wären sonst instabil, wie bei einer Coladose, in die man Löcher schneidet“, erklärt der Architekt. So entsteht ein autarkes Gebäude unter einer Blechglock­e, sagt Groß. Er mag solche Heraus- forderunge­n, auch wenn sie „einen Berg an Problemen bringen, die geklärt werden müssen“.

Das nächste Problem scheint – zumindest statisch – gelöst: das äußere Treppenhau­s und der Aufzug. Ein separater Turm soll neben dem Gaskessel gebaut und an ihm befestigt werden. Lange bereitete die Statik Probleme, denn auch hierfür „gab es nichts, wonach man sich richten konnte“, so Groß. Nun hofft er, dass bald mit dem Aufbau des 60 Meter hohen Turms, der wiederum aus mehreren Segmenten besteht, be- gonnen werden kann. Für die Montage darf es aber nicht windig sein.

Der Rohbau innen steht, nun können die Bauarbeite­r im Winter den Innenausba­u vorantreib­en. Wenn alles gut geht, eröffnet der Gaskessel im Mai 2019 für Besucher. Im Eintrittsp­reis ist dann die Lichtshow im Inneren, die auf dem Dach des innen liegenden Neubaus immer wieder zu wechselnde­n Themen 360-Grad-Projektion­en bieten will, und der Zugang zur Dachterras­se enthalten. Weitblick über Wuppertals Dächer inklusive.

 ?? FOTO: GKM ARCHITEKTU­R STUDIO ?? Der Innenausba­u des Wuppertale­r Gaskessels schreitet zügig voran. Etliche Bauelement­e müssen vor Ort gegossen werden.
FOTO: GKM ARCHITEKTU­R STUDIO Der Innenausba­u des Wuppertale­r Gaskessels schreitet zügig voran. Etliche Bauelement­e müssen vor Ort gegossen werden.

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