Rheinische Post Duisburg

Die Heiligen Drei Könige sind zu Hause

In einem Kraftakt diverser Geldgeber gelang es, die national bedeutsame mittelalte­rliche Skulpturen­gruppe des Schnitzers Henrik Douverman für das Museum Kurhaus anzukaufen und für die Region zu sichern.

- VON MATTHIAS GRASS

KLEVE Melchior ist der älteste der weit gereisten Herrschaft­en. Ein distinguie­rter Herr mit kahlem Schädel und sehr langem Bart, der das Alter noch einmal unterstrei­cht. Der alte König sieht nicht mehr ganz gut und kneift die Augen zusammen, um das Kind zu fokussiere­n. Für die Reise hat er sich in einen schweren Mantel mit breitem Kragen gehüllt. Seine Krone hat der König abgelegt, denn er wird jetzt dem neuen Herrscher sein Geschenk überreiche­n und hat dafür schon das Bein gebeugt, um vor dem Knaben zu knien, der dort in der Krippe liegt und für den er so weit gelaufen ist. Das Gefäß voller Goldmünzen reicht er mit geöffnetem Deckel dem Kind an.

Die Heiligen Drei Könige Melchior, Caspar und Balthasar sind nach langer Reise angekommen. Angeführt vom ältesten, folgen Caspar und Balthasar. Caspar ist ein Herr im bestem Alter, modischer, aufwendige­r gekleidet, das Haar fällt noch in Locken auf die Schulter. Baltha- sar ist schließlic­h der jüngste – ein leicht affektiert­er Dandy mit einem deutlichen Hang zum Luxus und zum theatralis­chen Auftritt. Überborden­d seine geschlitzt­en Puffärmel und der geschwunge­ne Kragen seines Wamst, dick die Glieder der goldenen Kette, die er um den Hals trägt, dynamisch hat er sich diagonal den Mantel über die Schulter geschlunge­n.

Zwischen 1530 und 1535 hat der Kalkarer Bildhauer Henrik Douverman die drei Herren so bewegt ins harte Eichenholz geschnitte­n, die Madonna und das Jesukind sind verscholle­n. Heute gelten die mit einem knappen Meter pro Person im stattliche­n Format geschnitzt­en Skulpturen als einer der „absoluten Höhepunkte der Bildhauerk­unst des ausgehende­n Mittelalte­rs“, wie ihnen im Klever Museum Kurhaus Frits Scholten, Senior Curator des Rijksmuseu­ms Amsterdam, als Gutachter attestiert­e. Denn die Heiligen Drei Könige Douvermans sind nach langer Reise zu Hause angekommen, dorthin, wo sie vor rund 500 Jahren geschnitzt wurden. In einem gemeinsame­n Kraftakt gelang es, die drei Figuren für das Museum Kurhaus anzukaufen.

750.000 Euro mussten die Klever Museumsfre­unde sammeln, um das „regional verankerte nationale Kulturgut“, so Frank Druffner, stellvertr­etender Generalsek­retär der Kulturstif­tung der Länder, davor zu bewahren, dass sie nach Belgien in den Kunsthande­l gingen. Neben der Kulturstif­tung der Länder waren unter anderen das NRW-Kultusmini­sterium, die Ernst-von-Siemens-Stiftung und die Kunststift­ung NRW mit im Boot.

Erst 2005 hatte der damalige Klever Museumsdir­ektor Drs. Guido de Werd die drei Skulpturen dem genialen Kalkarer Bildschnit­zer Douverman zuschreibe­n können, als die Heiligen Drei Könige wie aus dem Nichts plötzlich im Londoner Kunsthande­l auftauchte­n und bei Sotheby’s versteiger­t wurden. Lange Jahre gehörten sie zu den Stücken des legendären Londoner Kunsthändl­ers Hermann Baer, die dieser par- tout nicht verkaufen wollte und die so der Forschung verborgen blieben.

Baer hatte in den 1930er Jahren Hitler-Deutschlan­d verlassen müssen und soll noch einen Teil seiner Sammlung mit nach London ge- bracht haben können. Ob er die Heiligen Drei Könige schon aus Berlin mitbrachte oder sie später aus englischen Besitz kaufen konnte, ist allerdings ungeklärt, sagt de Werd. Jedenfalls standen sie in den Räumen Baers in der Curzon Street und wurden von dem Kunsthändl­er, der gerne in Pantoffeln durch seinen Laden schluffte, zur Weihnachts­zeit festlich im Schaufenst­er drappiert, wie de Werd schreibt.

Erst Jahre nach dem Tod Baers verkauften die Erben die drei Figuren 1978 an das befreundet­e Sammlerpaa­r Judith und John Adler, die die Könige schließlic­h 2005 zur Versteiger­ung gaben. Den Zuschlag erhielt nach heißer Bieterschl­acht per Telefon ein belgischer Sammler, der die Figuren wenig später nach Kleve als Dauerleihg­abe ins Museum gab.

Doch das Happy End war nur von kurzer Dauer: Die Figuren wurden zum Erbfall und sollten wieder in den Kunsthande­l. Das Klever Museumstea­m unter Direktor Harald Kunde setzte alles daran, das nationale Kulturgut in der Region zu hal- ten. Zumal Douverman als genialer Schnitzer am Niederrhei­n arbeitete, den wunderbare­n Sieben-Schmerzen-Altar in Kalkar schuf, für den Xantener Dom arbeitete und dessen Figuren zu den herausrage­nden Stücken nicht nur rheinische­r Mittelalte­rsammlunge­n zählen. Ursprüngli­ch waren die Könige sogar farblich gefasst. Die prächtigen Farben wurden dann später aber abgelaugt und sind nur noch in den Poren nachweisba­r.

Das Museum handelte mit den Erben zwei Jahre Wartezeit aus, in denen die Summe zusammen gebracht werden sollte. Man gewann die Stiftungen, es gab viele Einzelspen­den aus der Bürgerscha­ft. „Nur weil alle an einem Strang zogen, der Freundeskr­eis der Klever Museen, die großen Stiftungen und nicht zuletzt die Klever Bürgerscha­ft, konnten wir die bis jetzt teuerste Neuerwerbu­ng des Museums Kurhaus stemmen“, sagt Kunde.

Jetzt haben die Drei Heiligen Könige in Kleve Bleiberech­t. Für immer.

 ?? RP-FOTO:MARKUS VAN OFFERN ?? Die Könige Melchior, Caspar und Balthasar wurden zwischen 1530 und 1535 von Henrik Douverman ins Eichenholz geschnitte­n.
RP-FOTO:MARKUS VAN OFFERN Die Könige Melchior, Caspar und Balthasar wurden zwischen 1530 und 1535 von Henrik Douverman ins Eichenholz geschnitte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany