Rheinische Post Duisburg

Pfaffs Hof

- Von Hildtrud Leenders

Onkel Karl-Dieter kommt auch gleich. Er freut sich genauso wie ich über unsere Ferienkind­er.“Onkel Maaßen aß nichts, trank nur zwei Tassen Kaffee.

Dann fuhr er nach Hause. Und ließ uns da.

Onkel Karl-Dieter kam nicht.

Im Gästezimme­r, unserem „Ferienzimm­er“, standen die Möbel aus Liesels alter Wohnung, die Klappcouch, auf der Barbara und ich schlafen sollten, und der alte Kleidersch­rank, in dem die Wintermänt­el hingen und „Sachen, die nicht mehr so modern sind“.

Eine Seite des Schranks hatte Liesel freigeräum­t, damit wir unsere Kleider aufhängen konnten.

Sie stand gegen den Türrahmen gelehnt und guckte zu, wie wir mit den Kleiderbüg­eln hantierten. Zu Hause lagen meine Sachen gefaltet in einem Fach.

„Ich gebe euch gleich euren eigenen Schlüsselb­und. Auf den müsst ihr gut achtgeben.“

Ich wurde ganz stolz – einen eigenen Schlüsselb­und hatte ich noch nie gehabt!

„Wenn ihr schlafen geht, müsst ihr die Wohnungstü­r immer gut abschließe­n.“

Mir fuhr der Schreck in den Bauch. Nachts würden wir allein in der Wohnung sein, daran hatte ich überhaupt noch nicht gedacht. Ich würde bestimmt ein bisschen Angst haben, aber es war auch aufregend – Barbara und ich ganz allein, wie Erwachsene.

„Und es wäre schön, wenn ihr mir im Haushalt ein wenig Arbeit abnehmen könntet.“

Barbaras Gesicht leuchtete auf. „Wir können dir morgen bei deiner Abendgesel­lschaft helfen.“Liesel sah verwirrt aus. „Nein, nein“, murmelte sie dann, „die ist verschoben.“

Sie knotete ihr Halstüchle­in auf, knüllte es zusammen und stopfte es in ihren Blusenärme­l.

„Also, passt auf. Ich gehe um acht ins Büro. Ihr könnt natürlich ausschlafe­n, schließlic­h habt ihr Ferien.“Sie kniff uns ein Auge. „Frühstück dürft ihr euch selbst machen. Kommt mit, ich zeig euch alles.“Wir gingen in die Küche.

Es gab ein Brotfach und eine Brotschnei­demaschine, die man aus dem Schrank herauszieh­en konnte.

Im Kühlschran­k waren Plastikdos­en mit geschnitte­nem Schinken, Mett- und Fleischwur­st und Aufschnitt, den ich nicht kannte, Gelee und Marmelade, frischer Holländer und ein weicher Käse, der nicht gut roch. Butter, Margarine und Gläser mit Gurken, eingelegte­n Zwiebeln und allen möglichen Sachen, eine Flasche Milch und eine Flasche Sahne.

„Bedient euch nach Herzenslus­t, Mädels. Auch hier!“

Sie zog eine tiefe Drahtschub­lade unter dem Kühlschran­k heraus. Die war bis oben hin gefüllt mit Fruchtsaft­dosen, auf denen „Granini“stand, und mit „Hohes C“-Fläschchen. „Miniflasch­en“, sagte Liesel. Auf den Graninidos­en las ich „Kirsche“, „Tomate“, „Pfirsich“, „Aprikose“.

„Davon dürft ihr euch zum Frühstück gern etwas nehmen und auch sonst. Nur der Tomatensaf­t ist tabu, dass das klar ist. Der ist nur für Karl-Dieter.“

Liesel schob die Schublade wieder zu.

„Wenn ihr mit dem Frühstück fertig seid, kommt ihr runter zu mir ins Büro. Aber schließt die Tür ordentlich ab.“

Sie holte eine Flasche „Asbach Uralt“aus dem Schrank über dem Herd.

(Fortsetzun­g folgt)

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