Betrugsdiesel am juristischen Scheideweg
Eine persönliche Klage gegen Autohersteller ist risikoreicher, geht aber deutlich schneller. Wem Geld und Mut dazu fehlen, kann sich ab dem 1. November der Musterfeststellungsklage von ADAC und Verbraucherzentralen anschließen.
MOERS Geschäftsführer Thomas Borusiak sieht den Kanister Diesel lieber halbvoll als halbleer. Nach all den schimpfenden Kunden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 fällt das nicht leicht. „Mittlerweile haben nahezu alle unserer Kunden verstanden, dass uns Händlern Neufahrzeuge geliefert wurden, die nicht den Zulassungsbestimmungen entsprachen.“Allein bei Minrath in Moers, Kamp-Lintfort, Rheinhausen, Geldern, Kleve und Goch musste bei 8500 Fahrzeugen ein Software-Update eingespielt werden. Vom Wutanfall an der Werkstatt-Annahme hat sich die Sache mit den Betrugsdieseln mittlerweile ins Juristische verlagert. „Wir haben unter Rechtsanwälten eine Menge neuer Brieffreunde“, sagt Borusiak. Ein Mitarbeiter sei Vollzeit zur Dieselsachbearbeitung abgestellt.
Im Ringen um Schadenersatz naht in Bezug auf VW Toresschluss. Bis zum Jahresende hat noch Zeit, wer Ansprüche gegen den Konzern und/oder den Händler geltend machen möchte. Die Xantener Rechtsanwaltskanzlei Gatermann, Simons & Lorenz gibt es seit über 40 Jahren. Sie bietet eine kostenlose Erstberatung für die Besitzer von Betrugsdieseln an. „Von unseren Mandanten benötigen wir den Kraftfahrzeugschein, den Kaufvertrag und den aktuellen Kilometerstand, gegebenenfalls die Daten der Rechtsschutzversicherung.“
Aus Sicht der Anwälte gibt es nur noch wenige Diesel-Fahrzeuge, die nicht vom Abgasskandal betroffen seien. Auf die nun beworbenen Umtauschprämien sollten die Geschädigten nicht hereinfallen. Die Alternative sei, den Pkw zurückzugeben gegen gleichzeitige Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises; abzüglich einer „moderaten Nutzungsentschädigung für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer“. Der hier zu erzielende Betrag liege weit über den geplanten Umtauschprämien, versichern die auf Zivilrecht spezialisierten Anwälte. Wer keine Rechtschutzversicherung besäße, müsse in Bezug auf die Prozesskosten in Vorleistung gehen; bekäme diese aber nach einem Sieg vor Gericht vom Beklagten erstattet. „Die Ver- fahrensdauer vor dem hier zuständigen Landgericht Kleve ist derzeit bei circa einem halben Jahr anzusetzen.“
Auf drei Jahre schätzt der Leiter der ADAC Rechtsabteilung, Dr. Markus Schäpe, den alternativen Weg zum Privatverfahren. Zusammen mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen will der ADAC eine Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen anstrengen. Das ist ab 1. November 2018 möglich. Betroffene müssten sich – voraussichtlich ab Mitte November – in ein Register eintragen. Und warten. „Anders als in einem Individualprozess tragen sie kein Risiko.“Schäpe schätzt, dass Einzelkläger mit 5.000 bis 10.000 Euro in Vorleistung gehen müssen – und vor Gericht eine Chance von 50:50 haben, den Prozess zu gewinnen.
Damit wirbt er für die Musterfeststellungsklage. Bei der Xantener Kanzlei Gatermann, Simons & Lorenz klingt die Einschätzung so: „Der Nachteil der Sammelklage ist, dass der persönliche Schadenersatzanspruch anschließend immer noch individuell mit anwaltlicher Unterstützung eingeklagt werden muss. Wer schneller zum Ziel kommen möchte, sollte daher unsere Kanzlei mit seiner individuellen Vertretung beauftragen.“
Sehr sorgfältig informieren sollten sich die Nutzer von geleasten Diesel-Fahrzeugen. Hier können die Vertragsschluss festgelegten Restwerte nicht erreicht werden. Bei einem VW-Leasing sei der Restwert garantiert, sagt Minrath-Geschäftsführer Borusiak: „Da bleiben wir Händler auf den Verlusten sitzen.“Wie es bei anderen Leasinggebern und dem sogenannten Restwertleasing aussieht, sollten Betroffene sehr genau in ihrem Einzelfall überprüfen. Ansonsten drohen ihnen böse und vor allem kostspielige Überraschungen.