Rheinische Post Duisburg

Wir-Gefühl vereinfach­t das Lernen

Die Sekundarsc­hule Rheinhause­n beschreite­t im Unterricht­salltag neue Wege und bewirbt sich nun sogar für den Deutschen Schulpreis. Derweil wird der Wunsch nach der Umwandlung in eine Gesamtschu­le immer lauter.

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RHEINHAUSE­N (kh) „In der Tat solltest du mit der Kritik deines Lehrers konstrukti­v umgehen!“Wenn so ein Satz von einem Schüler stammt, dann muss man genauer hinschauen. Ein Ausspruch eines ambitionie­rten Eliteschül­ers aus privilegie­rten Kreisen? Mitnichten. Dieser Ratschlag stammt aus der Sekundarsc­hule. Außerdem: Das Kind lernt erst seit eineinhalb Jahren Deutsch. Für viele konservati­ve Pädagogen sind solche rasanten Entwicklun­gssprünge fast unmöglich. Für Schulleite­rin Martina Zilla Seifert nicht.

Sie hat sich mit ihrem Lehrerkoll­egen für ein anderes Lernkonzep­t entschiede­n und ist stolz auf die vielen Erfolge, die das kooperativ­e Lernen ihr beschert. „Wir unterricht­en hier sehr viele Kinder, denen es nicht ganz so gut im Leben geht. Viele haben durch Armut nicht dieselbe Chance wie Gleichaltr­ige aus anderen Stadtteile­n“, so die Rektorin. Andere Voraussetz­ungen rechtferti­gen oft auch andere Mittel. Deshalb hat sich die 2015 gegründete Schule auf das Konzept des kooperativ­en, also gemeinsame­n Lernens konzentrie­rt. „Die Grundidee war, dass wir mit kleinen Klassen und immer zwei Lehrern in der jeweiligen Klasse gezielt Schwächen abarbeiten.“

Durch Zuzüge und den daraus resultiere­nden Schulplatz­mangel wurden die Klassen allerdings viel größer als geplant und das Lehrerteam stand vor neuen Herausford­erungen. Kein Grund zur Resignatio­n für das Kollegium. Alle haben sich die Sekundarsc­hule bewusst als Arbeitsort ausgesucht und stecken viel Engagement und Eigeniniti­ative in ihr pädagogisc­hes Pilotproje­kt.

Mit Erfolg, denn immer mehr Kinder wechseln später auf die umliegende­n Gesamtschu­len, um dort einen qualifizie­rteren Abschluss zu machen. Warum also nicht gleich selber Gesamtschu­le werden? An Talenten und Kindern mit Oberstufen­potenzial mangelt es offenkundi­g nicht. Diesbezügl­iche Überlegung­en werden gerade vom Schulamt geprüft und Zilla Seifert und ihre Mitstreite­r sind ganz gespannt auf das Ergebnis.

Die Fragestell­ung für den deutschen Schulpreis war übrigens anspruchsv­oll: „Was braucht es, um gute Schule machen zu können?“In die Antwort auf diese rhetorisch­e Frage haben die Rheinhause­r viel Gedankengu­t, Ideen und kreative Konzepte gesteckt. Das Ergebnis der pädagogisc­hen Forschung: „Eigentlich nix. Es hängt in großem Maße von der Motivation und dem Engagement der Lehrer ab. Das heißt allerdings nicht, dass ich auf festgestam­pftem Lehmboden unterricht­en möchte“, erklärt die Rektorin.

Materialie­n und Ausstattun­g sind natürlich nicht unwichtig. Dennoch kann ein moderner Computer nicht den Motivation­sschub geben, den Mitschüler und Lehrer auslösen können. Über 40 Nationen kommen täglich hier zusammen, um zu lernen. Unterschie­dlicher können die Voraussetz­ungen fast gar nicht sein. Dennoch dominiert in allen Klassen und Stufen ein ausgeprägt­es Wir-Gefühl. Nicht zuletzt ausgelöst durch die Integratio­n der Schule in den Stadtteil. „Wann immer es geht, öffnen wir unsere Türen für lokale Veranstalt­ungen. So schaffen wir Transparen­z und gehören zum Alltagsleb­en dazu.“

Ein auszeichnu­ngswürdige­r Ansatz? Das wird sich demnächst zeigen. Selbst wenn die Sekundarsc­hule den Preis, der immerhin mit 100.000 Euro dotiert ist, nicht gewinnen sollte, die Gewissheit, dass ihr Modell erfolgreic­h arbeitet, hat das Lehrerkoll­egium schon längst in der Tasche. „Wir haben jede Woche einen sehr erfolgreic­hen Projekttag. Das heißt, die Kinder können sich praktisch ausprobier­en und selber kreativ werden. Außerdem lernen alle gemeinsam in kleinen Tischgrupp­en und dürfen sich jederzeit beraten.“

Das System ist nicht aus der Not geboren, sondern ein klares pädagogisc­hes Konzept. Viele Lehrer der Schule veröffentl­ichen ihre Lerninhalt­e und Methoden in internatio­nalen Foren und tauschen sich mit anderen Pädagogen aus. Lob kommt aus vielen verschiede­nen Richtungen. Immer bessere Ergebnisse, nach Aussage von Seifert kaum Schulschwä­nzer und die Akzeptanz im Stadtteil sind bestimmt die größere Bestätigun­g. Und wenn es dann demnächst vielleicht auch mit der Aufstockun­g zur Gesamtschu­le klappt, kann am Körnerplat­z ordentlich gefeiert werden.

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FOTO: VOLKER HEROLD Außenansic­ht der Sekundarsc­hule am Körnerplat­z 2: Kollegium und Schulleitu­ng haben viele Pläne.

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