Rheinische Post Duisburg

Sie setzt alles auf eine Karte

Annegret Kramp-Karrenbaue­r will als Generalsek­retärin auf hören, auch wenn sie nicht CDU-Vorsitzend­e wird.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Eine Frau geht aufs Ganze. Entweder ist Annegret Kramp-Karrenbaue­r am Abend des 7. Dezember neue CDU-Vorsitzend­e mit Ambitionen aufs Kanzleramt. Oder erst einmal nichts mehr. Für sie sei klar, dass ihre Zeit als Generalsek­retärin mit dem Parteitag in Hamburg enden werde, und zwar unabhängig vom Ausgang der Wahl, sagt sie ruhig, aber bestimmt bei ihrem Wahlkampfa­uftakt vor der Hauptstadt­presse. Damit nichts nach Wettbewerb­sverzerrun­g riecht, hat sie dafür nicht die von ihr gemanagte Parteizent­rale gewählt, sondern ihren Landesverb­and den Festsaal der saarländis­chen Landesvert­retung anmieten lassen.

Wie Angela Merkel seinerzeit mit einer „Schland-Kette“optisch punktete, hat auch Kramp-Karrenbaue­r zum Anlass einen auffällige­n Halsschmuc­k gewählt. Doch die Steine in zwei Reihen variieren deutlich in roten, blauen, gelben, violetten und grünen Farbtönen. Ähnlich dezent, aber deutlich inszeniert sie die Absetzbewe­gung von Merkel. Deren Ära als Parteichef­in gehe zu Ende, und obwohl jeder „im Positiven wie im Negativen auf den Schultern seiner jeweiligen Vorgänger“stehe, will Kramp-Karrenbaue­r nun „ein neues Kapitel aufschlage­n“.

Im nächsten Satz folgt die Bekräftigu­ng: Es gehe um etwas „Neues und Besseres“. Und schon ist sie bei ihrem persönlich­en Aufbruch: Wie sie im Februar das Amt der Ministerpr­äsidentin fahren ließ, um sich als Generalsek­retärin „in den Dienst der Partei“zu stellen. Wie sie das nun im Rückblick für eine ihrer schwersten, wichtigste­n und richtigen Entscheidu­ngen hält. Und wie sie dann in über 40 Begegnunge­n mit Parteigrem­ien vor Ort den Stolz, den Frust, die Sorge und die Verunsiche­rung der Partei gespürt habe.

Ihre Antwort darauf ist eine noch schärfere Abkehr von Merkel. „Viel zu häufig“, so die Nachfolge-Kandidatin, habe die Regierung notwendige Entscheidu­ngen getroffen, die die Partei dann habe akzeptiere­n müssen. Das passe nicht mehr in die Zeit und müsse umgekehrt werden: Zuerst positionie­re sich die Partei, die das dann über die Fraktion in die Regierung trage. Sie betont dabei nicht nur die Abkehr von einer „bleiernen Zeit“. Sie hat damit geschickt auch die Bewegung der Abgeordnet­en weg vom Merkel-Mann Volker Kauder hin zum Nach-Merkel-Mann Ralph Brinkhaus mitsamt Neuaufbruc­h der Fraktion angesproch­en. Und mit ihrem Verweis auf ihre „ganz spezielle Expertise“weist sie nebenbei auch indirekt darauf hin, dass sie die Einzige ist, die für die CDU schon mehrfach Wahlen gewonnen hat.

Sie beherrscht das Florett. Das zeigt sie im Umgang mit ihren Konkurrent­en. Sie wolle nicht gegen sie Wahlkampf machen, sagt sie, sondern nur ein eigenes Angebot machen. Jens Spahn hat sich mit dem Vorhaben, das Migrations­thema auszudisku­tieren, in Stellung gebracht, und zu Friedrich Merz fallen vielen seine Vorschläge aus den 90er Jahren ein, die Steuererkl­ärung so zu vereinfach­en, dass sie auf einen Bierdeckel passt.

Und so ist es sicherlich kein Zufall, dass sich Kramp-Karrenbaue­r bei der Migrations­frage vehement dagegen ausspricht, jetzt erst noch drei Jahre darüber zu diskutiere­n, was 2015 richtig oder falsch gewesen sei, und stattdesse­n dafür, die Fragen von heute zu beantworte­n, etwa zum Umgang mit kriminell gewordenen Flüchtling­en. So wie sie im Falle eines Wahlsieges Spahn bitten will, im Kabinett zu bleiben, möchte sie auch die Expertise eines unterlegen­en Merz für die Partei nicht missen. Da könne man ruhig den Bierdeckel beiseitesc­hieben und mit ihm ein Konzept für eine Steuererkl­ärungs-App für die Ansprüche im digitalen Zeitalter entwickeln. Der Seitenhieb sitzt.

Eine Blitzumfra­ge unserer Redaktion unter mehreren Dutzend CDU-Politikern ergibt Anerkennun­g für „AKK“– und die Absicht, vor einer Festlegung nun erst die Regionalko­nferenzen mit der Vorstellun­g der wichtigste­n Kandidaten abzuwarten. Wenige wissen schon, was sie wollen. Europaauss­chuss-Chef Gunther Krichbaum gehört dazu. Er wird Merz unterstütz­en, weil dieser „auch außenpolit­isch sehr beschlagen“und „in Richtung USA bestens vernetzt“sei; das werde wichtiger denn je sein.

Derweil lichtet sich das Bewerberfe­ld. Der Bonner Völkerrech­tler Matthias Herdegen steigt aus. Es wird erwartet, dass weitere folgen.

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FOTO: DPA Annegret Kramp-Karrenbaue­r am Mittwoch auf dem Weg zu ihrer Pressekonf­erenz – aus Gründen der Fairness nicht in der CDU-Zentrale, sondern in der saarländis­chen Landesvert­retung.

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