Rheinische Post Duisburg

Die vergessene Universitä­t

Vor 200 Jahren wurde die Alte Universitä­t Duisburg aufgelöst. Das allgemeine Universitä­tssterben war eine Folge der Hochschulp­olitik im Reich.

- VON HARALD KÜST

Es gibt kaum einen Sender in Deutschlan­d, der nicht mindestens einmal in der Woche ein Quiz im Programm hat. Wer waren Clauberg, Leidenfros­t, Merrem, Plessing oder Krummacher? Hätten Sie`s gewusst? Es waren Professore­n der Alten Universitä­t - Duisburger Staßen tragen heute noch ihre Namen. Doch die Erinnerung an die Alte Universitä­t Duisburg droht zu verblassen.

Die Anfänge der Alten Universitä­t können etwa im Jahr 1560 festgemach­t werden. Mit etwa 2000 Einwohnern gehörte Duisburg im 16. Jahrhunder­t immerhin zur Gruppe der Mittelstäd­te – war somit keine Ackerbürge­rstadt. Zu dieser Zeit genoss die Stadt mit dem Gelehrtenn­etzwerk um Gerhard Mercator den Ruf „Duisburgum doctum“. Humanisten wie Johann Otho, Georg Cassander, Cornelius Wouters und Johannes Molanus gaben der Stadt gerade im Bildungsbe­reich wichtige Impulse. Religiöse Toleranz, Humanismus, ein akademisch­es Gymnasium sowie Kartograph­ie und Wissenscha­ft prägten das Image der Stadt. Corputius, ein Schüler Gerhard Mercators, warb 1566 folgericht­ig mit einem Stadtplan für die Universitä­tsgründung. Doch der Dreißigjäh­rige Krieg und spanische Besatzungs­truppen bremsten den erhofften Aufschwung. Erst knapp hundert Jahre später, am 14. Oktober 1655, war es dann soweit. Mit der Universitä­t in den Mauern Duisburgs schaffte die Stadt den Sprung in die Liga von 40 Hochschule­n im Reich – ein Bollwerk der Reformatio­n gegen den Einfluss der Jesuiten in Düsseldorf und Köln. Mit Johannes Clauberg (1622 – 1665) wurde ein in ganz Westeuropa bekannter Reformtheo­loge und Philosoph Rektor. Er war einer der ersten und wichtigste­n Vertreter der Philosophi­e des Franzosen René Descartes in Deutschlan­d.

Im 18. Jahrhunder­t aber schlug die anfangs positive Entwicklun­g der Studentenz­ahlen um. Die Duisburger Universitä­t wurde zum Spielball machthungr­iger Herrscher. Militär statt Bildung lautete jetzt die Parole. Die Verwaltung­en der jeweiligen Herrscher – seien es die Preu- ßen oder Napoleon – setzten eine Negativspi­rale in Gang. Es wurde Jahr für Jahr an Bildungsau­sgaben gespart, die Studenten blieben weg, die Professore­n gingen nach Leiden oder Utrecht , so auch der renommiert­e Professor Pieter van Musschenbr­oek. Das Universitä­tssterben war kein Duisburger Einzelphän­omen, sondern ein Spiegel der Gesamtentw­icklung im Reich, so Dr. Hendrik Friggemann von der Uni Duisburg. Die Ursachen: Die staatliche Hochschulp­olitik orientiert­e sich zunehmend an Wirtschaft­lichkeit und Standortfr­agen. Hinzu kam eine Debatte um die „Akademiker­schwemme“und die linksrhein­ische Besetzung durch Napoleon Bonaparte.

Von Aufhebung und Fusion waren allein 24 Hochschule­n im Zeitraum 1781 bis 1818 im gesamten deutschen Reich betroffen. Das war mehr als die Hälfte der damaligen Hochschull­andschaft. 1820 bestanden nur noch 21 Universitä­ten im Reich. So kam vor 200 Jahren das Aus. Dass trotz dieser widrigen Umstände eine Reihe von außergewöh­nlichen Professore­n und Absolvente­n hervorgebr­acht wurden, spricht für die Universitä­t Duisburg. Das „Leidenfros­t-Phänomen“(Wassertrop­fen auf der Herdplatte) oder die physikalis­che Messtechni­k von Musschenbr­oek seien hier beispielha­ft genannt. Schriftste­ller wie August Kotzebue und Carl Arnold Kortum finden sich zudem in den Immatrikul­ationslist­en. Die Herkunftsl­änder der Studenten spiegeln frühe Globalisie­rung wider: Schottland, Siebenbürg­en, Molukken und sogar Japan tauchen in den Matrikeln auf. Etliche Absolvente­n der Duisburger Universitä­t wurden später in Surinam, Batavia oder am Kap der Guten Hoffnung tätig.

Diese frühe Internatio­nalität kontrastie­rt mit der negativen Sichtweise der Stadtgesel­lschaft zum Universitä­tsstandort bis in die Nachkriegs­zeit. 1951 wies Oberbürger­meister Seeling in einer Pressekonf­erenz die immer wieder lautwerden­den Vermutunge­n zurück, dass eine Neugründun­g geplant sei. „Duisburg sei eine Stadt der Arbeit und Industrie und wolle es auch bleiben“. Diese Haltung veränderte sich erst in den 60er Jahren. Der Philosoph und Theologe Georg Picht prägte 1964 den Begriff der „Bildungska­tastrophe“, mit dem er eine breite Debatte auslöste. Mit der Gründung der Gesamthoch­schule Duisburg im Jahre 1972 und der 2003 erfolgten Fusion mit der Essener Schwestere­inrichtung zur heutigen Universitä­t Duisburg-Essen blühte dieser – nun regional erweiterte – Hochschuls­tandort wieder auf.

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REPROS (2): STADTMUSEU­M Dieses Bild von Carl Arnold Kortum zeigt eine Examenssze­ne an der alten Universitä­t.
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Johannes Clauberg war der erste Rektor der Duisburger Universitä­t.

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