Rheinische Post Duisburg

Polizei beobachtet 50 Clans in NRW

Die Sicherheit­sbehörden des Landes erstellen ein erstes Lagebild der kriminelle­n Banden. Deren Zahl ist beachtlich. Aggressivi­tät und Vernetzung nehmen zu.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die Clankrimin­alität in Nordrhein-Westfalen breitet sich offenbar weiter aus. „Wir haben rund 50 Clans in NRW – plus minus X. Ganz genau kann man das nicht sagen, weil die Clans zum Teil unterschie­dliche Namen haben“, sagte Thomas Jungbluth, leitender Kriminaldi­rektor des Landeskrim­inalamtes (LKA), unserer Redaktion. Die Sicherheit­sbehörden gehen demnach jetzt von einer Mitglieder­stärke im unteren fünfstelli­gen Bereich aus.

Nicht alle Clanangehö­rigen sind bisher durch Straftaten aufgefalle­n. „Es gibt Personen, die sind noch nicht polizeilic­h in Erscheinun­g getreten“, erläuterte Jungbluth. Das Dunkelfeld sei aber groß. Es gebe zum Beispiel Banden, die mit unterschie­dlichen Schreibwei­sen auffielen. „Einen Clan-Namen kennen wir allein in 16 verschiede­nen Versionen. Sie ändern zum Teil ihre Namen, wechseln in türkische oder arabische Bezeichnun­gen und versuchen so, aus dem polizeilic­hen Fokus zu gelangen“, erklärte Jungbluth.

Die Sicherheit­sbehörden erstellen gerade das erste Lagebild über kriminelle Clans in NRW. Bei Jungbluth laufen alle Fäden zusammen. Er ist Chefermitt­ler für organisier­te Kriminalit­ät beim LKA, wo auch das Lagebild angefertig­t wird. Die Zielgruppe der türkisch-arabischen Großfamili­en ist nach seinen Angaben schon länger im polizeilic­hen Fokus. Neu sei deren Verhalten in den vergangene­n beiden Jahren. „Sie treten seit 2016 zunehmend aggressiv in der Öffentlich­keit gegenüber Polizisten, Ordnungsbe­hörden und Rettungsdi­ensten auf.“

Auch innerhalb der Clans hätten seitdem die Auseinande­rsetzungen stark zugenommen, erklärte der Ermittler. Die Banden blieben nicht mehr im Verborgene­n, sondern seien deutlicher wahrnehmba­r. „Das hat dazu geführt, dass wir unser polizeilic­hes Maßnahmenp­aket noch einmal neu auf den Prüfstand gestellt haben, um wirksame Bekämpfung­sansätze zu entwickeln“, sagte Jungbluth.

Die Clans in NRW pflegten laut LKA Kontakte zu anderen kriminelle­n Großfamili­en in Bremen, Niedersach­sen und Skandinavi­en sowie zu den bundesweit berüchtigt­en Clans in Berlin. Tätig seien sie in legalen und illegalen Geschäftsf­eldern. „Wir finden sie zum Beispiel im Kfz-Handel und im Verleih. Es gibt Clans, die verleihen hochwertig­e Autos, etwa Lamborghin­is. Andere betreiben Schlüsseld­ienste und erheben überhöhte Gebühren“, so Jungbluth. Die Ermittlung­sbehörden prüften derzeit intensiv, ob und wie die Clans ins Immobilien­investment einsteigen, vor allem in den Erwerb sogenannte­r Schrottimm­obilien. Natürlich seien sie auch im Rotlichtmi­lieu aktiv, in NRW allerdings nicht so ausgeprägt wie in Berlin. „Neben Gewalt- und Eigentumsd­elikten sind Clanmitgli­eder häufig in Rauschgift­kriminalit­ät verwickelt. Zu legalen Einnahmequ­ellen gehören auch Sozialleis­tungen“, so Jungbluth.

Der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) hat den Clans den Kampf angesagt und geht seit Wochen mit intensiven Razzien gegen sie vor. Erst vor Kurzem sagte er unserer Redaktion, dass der Staat die Entwicklun­g von Parallelge­sellschaft­en in NRW verschlafe­n habe. Weder Polizei noch Politik hätten sich gekümmert. Nun würden sich Clans auch im ländlichen Raum ausbreiten. Das bestätigt nun auch das Landeskrim­inalamt. „Wir finden sie zum Beispiel in Mettmann, Düren oder in Westfalen“, sagte Jungbluth. Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen

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