NS-Zeitzeugin tauscht sich mit Schülern aus
RHEINHAUSEN (lw) NS-Zeitzeugin Eva Weyl sprach im Krupp-Gymnasium vor Schülern der Jahrgangsstufen neun und der Einführungsphase der Oberstufe. Es ist die Generation, der Weyl etwas mit auf den Weg geben möchte. Wie sie das eindrucksvoll schafft, bewies sie in ihren Erzählungen.
Die 83-Jährige lebt heute in den Niederlanden, hat fünf Enkel und tourt durch deutsche Schulen. Ihre Mission: „Ich möchte Schüler zu ,Zweitzeugen’ machen. Jeder, der meine Geschichte hört, ist ein Geschichtszeuge.“Schulleiter Peter Jöckel hob hervor, dass der Vortrag der Holocaust-Überlebenden bewusst im November stattfindet: „Erst kürzlich gedachten Menschen weltweit der Reichspogromnacht und den verfolgten Juden“, so Jöckel.
Unter den einst Verfolgten war auch Eva Weyl. Im Januar 1942 sollte alles schnell gehen. Familie Weyl, die bereits 1933 in die Niederlande geflohen war, musste erneut fliehen. „Ich weiß es noch genau: Auf dem Geschäft meiner Großtante stand groß geschrieben: ,Deutsche, kauft nicht bei Juden’.“Sechs Jahre war Eva alt, als sie mit ihren Eltern ins KZ-Sammellager nach Westerbork gebracht wurde. Ein Foto zeigt sie sitzend am Tisch, mit wachem Blick und Stift in der Hand. Wenig später wird sie im KZ registriert. „Eine Mordfabrik“nennt Weyl die Konzentrationslager. „Wir mussten alles abgeben: Schmuck, Geld.“
Die kleine Eva wusste nicht, wie ihr geschah: Der lange Fußmarsch vom Zug bis ins sechs Kilometer entfernte Lager, die Baracke, die sie sich mit 350 anderen Häftlingen teilte. 15.000 Leute lebten im Lager. „Ich verstand nicht, was hier passiert. Es schien, wie ein Dorf mit Badeanstalt, Spielplatz und Schule.“Damals, um 1939, flüchteten viele Menschen von Deutschland in die Niederlande.
Bis 1945 fuhren 93 Züge nach Auschwitz, Bergen-Belsen, Sobibor und Theresienstadt. 107.000 Menschen wurden deportiert, weniger als 5000 überlebten. „Jene Gräuelmärchen von Gaskammern hielt damals keiner für möglich“, so Weyl. Es sind gleich drei Wunder, die Weyl erzählte, denn drei Mal entkam die Familie der tödlichen Deportation nach Auschwitz. Einmal strich sie ein Freund ihres Vaters in der Verwaltung von der Liste. Dann, als sie mit Gepäck am Dienstag an den Gleisen warteten, flogen Kampfjets der Alliierten und attackierten das Lager, so dass der Zug nicht fahren konnte. Als der Vater in den Zug steigen wollte, hielt ihn ein Freund auf. Kurz vor Kriegsende wurde Westerbork mit 800 Häftlingen befreit. Noch heute trägt Weyl einen Ring bei sich: den Ring aus jenen Diamanten, die Weyls Mutter kurz vor der Flucht in einen Wollmantel einnähte.
Rechtsextremismus, die AfD und Flüchtlingshass – zu all diesen Themen stellten die Schüler viele Fragen. Weyl stellte klar: „Ihr seid verantwortlich, was ihr aus der Vergangenheit lernt und aus der Zukunft macht.“