Rheinische Post Duisburg

Tropfen in der Wüste der Armut

Der Welttag der Armen kann Notleidend­en helfen, Gehör zu finden.

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Wenn über Armut in Deutschlan­d gesprochen wird, höre ich oft: Das ist bei uns in Deutschlan­d doch gar nicht so schlimm! Dann wird auf hungernde Kinder in Afrika oder im Jemen hingewiese­n oder auf die Fluchtbewe­gung aus Lateinamer­ika in Richtung USA. Zwar haben in Deutschlan­d die meisten Menschen genug zu essen, trotzdem erleben auch sie Armut: Fast jeder Sechste gilt in unserem reichen Land als arm. Wie kann das sein? Armut wird in Relation zu den Lebensumst­änden der Bevölkerun­g eines Landes gemessen. Ob also jemand als arm oder reich gilt – das hat entscheide­nd damit zu tun, ob er oder sie am normalen Leben teilnehmen kann. Ob er den Eintritt ins Hallenbad zahlen kann, das Ticket für die Straßenbah­n oder den Preis für eine neue Waschmasch­ine. Und ob er sich eine Wohnung leisten kann, die halbwegs angemessen ist für die Familie. Genau das ist in Deutschlan­d ein gewaltiges Problem. Vor allem in den Großstädte­n rutschen viele Menschen durch hohe Mieten in Armut und haben nur noch wenig Geld für das Alltagsleb­en. Arme Menschen kämpfen nicht nur gegen Geldmangel, sondern auch darum, im Zusammenle­ben mitzukomme­n und ihr Gesicht zu wahren. Daran erinnern wir morgen am Welttag der Armen, den Papst Franziskus ausgeru- fen hat. In seiner Botschaft schreibt er: „Wahrschein­lich ist dieser Welttag wie ein Tropfen Wasser in der Wüste der Armut; und dennoch kann er ein Zeichen des Mitfühlens sein, damit sie die tätige Anwesenhei­t eines Bruders und einer Schwester spüren.“Hören wir ihren Schrei und achten wir auf diejenigen, die sich so abgehängt erleben, dass ihnen die Kraft fehlt für einen Schrei und für Widerstand gegen die Ungerechti­gkeit.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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