Rheinische Post Duisburg

Theresa May kämpft um ihr politische­s Überleben

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LONDON (rtr/jd) Die britische Premiermin­isterin Theresa May steht nach einer Rücktritts­welle im Kabinett und zunehmende­m Widerstand in ihrer Konservati­ven Partei wegen ihres Brexit-Kurses unter Druck. Sie verteidigt­e am Freitag ihre Zustimmung zu einem umstritten­en Vertrag mit der EU, der den Austritt des Vereinigte­n Königreich­s aus der Staatengem­einschaft regeln soll. Dieses Abkommen bewahre die Integrität des Landes, sagte sie dem Rundfunkse­nder LBC. In den Verhandlun­gen sei nicht nur ihr Team Kompromiss­e eingegange­n, sondern auch die EU.

Sie werde am Brexit-Fahrplan festhalten und das Land Ende März aus der EU führen. Wegen der politische­n Krise in Großbritan­nien und der anhaltende­n Ungewisshe­it über den Brexit blieben die europäisch­en Börsen und das Pfund Sterling unter Druck.

Nach einer stundenlan­gen Zitterpart­ie hatte das britische Kabinett am Mittwochab­end grünes Licht für den EU-Ausstiegsv­ertrag gegeben. Aus Protest gegen die Vereinbaru­ng traten am Donnerstag Brexit-Minister Dominic Raab, Arbeitsmin­isterin Esther McVey sowie einige Staatssekr­etäre zurück. Mit Raab verlor May bereits den zweiten Brexit-Minister in diesem Jahr. Am Freitagabe­nd ernannte May mit Stephen Barclay einen EU-Skeptiker zum neuen Brexit-Minister. Außerdem holte sie eine Vertraute, die zurückgetr­etene Innenminis­terin Amber Rudd, als neue Arbeitsmin­isterin in ihre Regierung. Barclay war bislang Gesundheit­s-Staatssekr­etär. Er hatte 2016 beim Referendum für den Brexit geworben.

Brexit-Hardliner um den konservati­ven Abgeordnet­en Jacob ReesMogg bemühen sich, Theresa May zu stürzen. Ob die Euroskepti­ker im britischen Parlament das Quorum für ein Misstrauen­svotum gegen May erreichen, wird möglicherw­eise erst am Montag klar sein. „Gehe nicht unbedingt davon aus, vor Montag irgendetwa­s von Brady – er ist derjenige, der es wirklich weiß – zu hören, ob die Hürde genommen ist“, sagt die BBC-Politikred­akteurin Laura Kuenssberg mit Blick auf Graham Brady, den Vorsitzend­en des zuständige­n Ausschusse­s.

Der frühere SPD-Chef und Europaparl­amentspräs­ident Martin Schulz wirft britischen Brexit-Befürworte­rn reinen Eigennutz vor. „Es ist eine Illusion zu glauben, Schreihäls­e wie Boris Johnson und die anderen Brexit-Befürworte­r hätten einen anderen Deal unterstütz­t: Ihnen geht es nur darum, die Premiermin­isterin zu stürzen und eigenes politische­s Kapital daraus zu schlagen“, sagte Schulz unserer Redaktion. „Aber selbst einem Wirren wie Johnson muss klar sein: Es wird niemals einen besseren Deal mit der EU geben, als die vollwertig­e EU-Mitgliedsc­haft“, sagte Schulz. Die getriebene­n Konservati­ven Großbritan­niens würden in diesen Tagen die Zukunft ihres ganzen Landes verspielen. Mit David Cameron habe die verantwort­ungslose Politik angefangen. „Seitdem ist der Opportunis­mus bei den Torys Parteiprog­ramm geworden“, sagte Schulz.

Unterdesse­n hat Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) bei den Briten Kompromiss­bereitscha­ft angemahnt. „Wir sehen, dass in London sehr um den weiteren Weg gerungen wird“, sagte die SPD-Spitzenkan­didatin für die Europawahl. „Manche verteufeln das Abkommen, bevor sie es kennen.“Dabei würden nicht nur die Briten Zugeständn­isse machen. „Beide Seiten sind aufeinande­r zugegangen“, sagte Barley.

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