Rheinische Post Duisburg

Kempen verliert den Doppelkeks

Nach mehr als 60 Jahren wird die Fertigung der Prinzenrol­le nach Thüringen verlagert. Was aus dem Gelände wird, ist noch offen.

- VON GEORG WINTERS

KEMPEN Am Ende bleibt die einfache Erkenntnis, dass Tradition allein keine Überlebens­garantie für ein Werk schafft. Wenn ein Unternehme­n wachsen und die Fertigung ausbauen will, am alten Standort aber schlechter­e Bedingunge­n vorfindet als woanders, ist woanders eben besser. Mitunter löst so etwas erhebliche politische Diskussion­en aus, wie zu Beginn des Jahrtausen­ds, als der Hagener Zwieback-Hersteller Brandt den Produktion­sstandort aufgab und die Fertigung ins thüringisc­he Ohrdruf (Landkreis Gotha) verlagerte. In Hagen lief der letzte Zwieback 2003 vom Band.

Jetzt verliert die niederrhei­nische Mittelstad­t Kempen nach mehr als sechs Jahrzehnte­n die Produktion der De-Beukelaer-Prinzenrol­le. Der mit dem Doppelkeks, 6,5 Zentimeter Durchmesse­r pro Keks, dazwischen Schokolade. Erfunden vor fast 150 Jahren von dem belgischen Bäckermeis­ter Edouard de Beukelaer, der sein Produkt seinerzeit dem belgischen Prinzen Philippe widmete und es entspreche­nd „Le petit prince fourrée („der kleine gefüllte Prinz“) nannte. Eine Marke, die sich seit Mitte der 50er Jahre jedem eingeprägt hat, auch wenn die Markenrech­te längst bei dem US-Lebensmitt­elkonzern Mondelez liegen.

Der gefüllte Prinz wandert aus. Wie seinerzeit Brandt nach Thüringen, genauer gesagt nach Kahla, wo die Griesson-De-Beukelaer-Gruppe bereits den größten ihrer vier Standorte betreibt. Bis 2020 soll die Fertigung der Prinzenrol­le (etwa 35 Mil- lionen rollen derzeit in Kempen jährlich vom Band) schrittwei­se verlagert werden. In Kahla ist im Februar der erste Spatenstic­h für eine neue Produktion­sanlage erfolgt, in die das Unternehme­n rund 100 Millionen Euro investiert

„Das ist natürlich ein trauriger Tag für Kempen“, räumt Griesson-Sprecher Peter Gries ein, „aber wir hatten keine andere Wahl. Der Maschi- nenpark muss dringend erneuert werden, wir wollen die Kapazitäte­n steigern, und wir brauchen einen zusätzlich­en Logistik-Standort, der nicht so weit von unseren ostdeutsch­en Produktion­sstandorte­n (neben Kahla ist das noch Wurzen in Sachsen, d. Red.) entfernt ist.“Derzeit gibt es neben den Fertigungs­standorten ein Hochregall­ager in Koblenz mit insgesamt 40.000 Stellplätz­en. Die Logistik für Griesson betreibt die Bremer Firma BLG Logistics.

Für den Standort Kempen ist die Verlagerun­g nach Thüringen der zweite Schlag binnen acht Jahren. 2010 war die Produktion von Butterkeks­en an den Unternehme­nssitz in Polch (Rheinland-Pfalz) verlagert worden. Mit dem Wechsel der Doppelkeks-Fertigung nach Thüringen verliert der niederrhei­nische Standort nun 270 Jobs. Bisher waren hier nach Angaben von Gries 170 Männer und 100 Frauen in der Fertigung tätig. Durchschni­ttsalter: etwa 46 Jahre. Da liegt es nahe, dass nicht jeder das Angebot nutzen wird, an einen anderen Standort innerhalb der Gruppe zu wechseln. Nachdem am Freitag Gesamtbetr­iebsrat, Wirtschaft­sausschuss und die Betriebsrä­te an den Standorten Kempen und Kahla über die Pläne informiert wurden, sollen zeitnah die Gespräche über einen Interessen­ausgleich für die Mitarbeite­r beginnen.

Was aus dem Gelände in Kempen wird, ist noch offen. Der Fabrikverk­auf, den dort eine Handvoll Mitarbeite­r betreibt, könnte in der Stadt bleiben, aber er würde mit großer Wahrschein­lichkeit woanders wei- ter gehen. Eine Option für das Unternehme­n wäre ein Verkauf des zig tausend Quadratmet­er großen Geländes. Darüber gibt es aber noch keine Gespräche, wie Gries unserer Redaktion am Freitag versichert­e.

Griesson-De Beukelaer, dessen Eigentümer eine Familienst­iftung des Miteigentü­mers Heinz Gries (dessen Sohn Sprecher Peter Gries ist) und dessen Partner Andreas Land sind, gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Unternehme­n im europäisch­en Süß- und Salzgebäck­markt. Allerdings ist der Umsatz in den vergangene­n Jahren gesunken. Nach einem Minus von vier Prozent 2016 gingen die Erlöse im vergangene­n Jahr noch einmal um 2,5 Prozent auf rund 501 Millionen Euro zurück.

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FOTO: IMAGO Mit dem Doppelkeks aus der Prinzenrol­le istDe Beukelaer groß geworden.

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