Hornitexter wollen nun vor Gericht ziehen
Die Bürgerinitiative lässt sich nicht unterkriegen. Sie protestiert gegen die erweiterte Bebauung des Hornitex-Geländes. Vorwurf: Das Gutachten ist fehlerhaft.
BAERL (kui) Nach der Schlacht ist vor der Schlacht. Da liegen Aktenordner voller Unterlagen, stapelweise Papier. „Hier sehen Sie es besser“, sagt Sven Seidenstricker und zeigt auf eine der Zeichnungen, die den künftigen Hallenbau an der Rheindeichstraße skizzieren. Während die Erweiterung des Gewerbeparks auf dem Hornitex-Gelände der Bauaufsicht zur Genehmigung vorliegt, planen die Hornitexter den nächsten Schritt. Die Bürgerinitiative will Klage einreichen und so erwirken, dass ein neuer, abgespeckter Bebauungsplan entsteht.
An der Kohlenstraße in Baerl war die Stimmung schon mal besser. Sechs Parteien, 20 Menschen, leben hier – Michael Höhnerbach und Sven Seidenstricker haben zum Ortstermin geladen. Als direkte Anlieger sind sie jetzt am Zug. Ab Ratsbeschluss bleibt ihnen ein Jahr Zeit, Klage einzureichen. Ihr Anwalt habe sie dazu ermutigt, so Seidenstricker. Er bekam in einer entsprechenden Angelegenheit schon einmal Recht. Und im Falle eines Urteils zu ihren Gunsten würden die Arbeiten für die Erweiterung des Logistikzentrums erst einmal ruhen – solange, bis ein neuer Bebauungsplan vorliegt.
Hintergrund: Die Gutachten, die der Projektentwickler Alpha Industrial vorgelegt hat und auf denen der aktuelle Bebauungsplan fußt, sollen in neun Punkten fehlerhaft sein. Das ergibt ein Gegengutachten, das die Bürgerinitiative bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gab. Da ist von falschen Messungen die Rede, von Schallquellen, die nicht berücksichtigt wurden – darunter Lüftungsanlagen, Kühlcontainer, Lkw-Leerungen. Außerdem reich- ten Standardpaneelen, wie sie verwendet werden, für die Fassadendämmung nicht aus. Jetzt erwägen die Anwohner des Duisburger Prestige-Objekts gegen die Stadt vor Gericht zu ziehen. „Ein Wagnis“, weiß Seidenstricker. Denn: Der Rechtsweg ist teuer, der Ausgang ungewiss. 2000 Euro hat allein das Gutachten gekostet, kommt es zum Rechtsstreit, kalkulieren die Hornitexter mit Gesamtkosten von etwa 10.000 Euro.
Wie Seidenstricker ist auch Michael Höhnerbach das, was man unmittelbar betroffen nennt. Durch sein Fenster sieht man die ersten Hallen, in denen schon gearbeitet wird. Wie berichtet soll daneben in Richtung Kohlenstraße ein zweiter, 15 Meter hoher Hallenkomplex entstehen, 300 mal 117 Meter, durch die Teile des Landschaftsschutzgebietes überbaut werden sollen. Als Nachbar des Industrieparks hat Höhnerbach bereits Erfahrungen gesammelt: Samstagsmorgens um 8 Uhr reißt die Müllpresse Anwohner aus dem Schlaf. Als störend empfindet er aber vor allem die Flutlichtbeleuchtung, die bis in die Wohnung dringt. Höhnerbach: „Da wird in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet.“Wenn der zweite Hallenkomplex fertig ist, soll auch dieser von außen beleuchtet werden.
Seidenstricker wohnt nebenan. Und er ist verdammt sauer. Weil die Natur in Duisburg einmal mehr verschandelt wird und Landschaftsschutz käuflich zu sein scheint. Weil die Verwaltung der Industrie den Vorrang gebe vor dem Mittelstand, demWohlergehen der Bürger. Dafür sprächen auch Projekte wie die geplante Bebauung der Mercator-Insel und der Sechs-Seen-Platte. Auch in Wedau protestiert eine Bürgerinitiative.
Aber vor allem ärgert sich Seidenstricker, weil er sich verschaukelt fühlt. Seit 1993 wohnt er an der Kohlenstraße. Als 2009 die Produktion auf dem Hornitex-Gelände eingestellt wurde, kehrte Ruhe ein. Vor ein paar Jahren seien die Bürger dann nach ihren Vorstellungen gefragt worden, berichtet er. Seinerzeit sprachen sie sich für einen Park mit Gewerbe darin aus. Seidenstricker: „Und jetzt heißt das Ding Gewerbepark. Das ist hier ein Erholungsgebiet und Baerl ist ein Kleinod. Es gibt so viele Brachflächen, die Thyssen-Flächen oder das Loveparade-Gelände. Warum wird da nicht gebaut?“