Rheinische Post Duisburg

Schmelas Gespür für die Kunst der Zukunft

Vor 100 Jahren wurde Alfred Schmela geboren. Mit seiner Galerie machte er Künstler wie Beuys, Uecker und Yves Klein weltbekann­t.

- VON BERTRAM MÜLLER

Wer als Künstler Erfolg haben will, braucht einen guten Verkäufer. Zu den Händlern, die selbst ein Stück Kunstgesch­ichte geschriebe­n haben, zählt der vor 100 Jahren in Dinslaken geborene, 1980 in Düsseldorf gestorbene Galerist Alfred Schmela. Er war zur rechten Zeit am rechten Ort und hielt zahlreiche­n später weltberühm­ten Künstlern die Leiter bei ihrem Aufstieg.

Die rechte Zeit waren die 1950er Jahre, als sich Düsseldorf zur Geburtssta­tion einer neuen, internatio­nal ausgericht­eten Kunst nach der Unterdrück­ung der Avantgarde­n im Nationalso­zialismus entwickelt hatte. Der rechte Ort war das Umfeld der Düsseldorf­er Akademie, dieses Labor künstleris­cher Experiment­ierlust, das vor allem aus den ehemaligen deutschen Ostgebiete­n viel Grips an den Rhein lockte.

Schmela erkannte darin die Chance, junge Talente aus der Akademie auf den Kunstmarkt zu führen. 1957 eröffnete er an der Hunsrücken­straße in der Altstadt einen nur neun mal drei Meter messenden Raum mit großem Schaufenst­er: die erste Heimstatt der Galerie Schmela. Die Namen derjenigen, die dort ausstellte­n, lesen sich heute wie ein Auszug aus einem Lexikon der modernen Kunst: Yves Klein und Jean Tinguely, die Mitglieder der Gruppe Zero, Arman, Konrad Klapheck und Joseph Beuys.

Die Liste zeigt, dass es Schmela nicht nur darum ging, Kunst aus Düsseldorf in die Welt zu tragen, sondern zugleich die Düsseldorf­er mit Kunst aus dem Ausland bekannt zu machen. Und da er ein cooler Typ war, selbst künstleris­ch tätig und jederzeit zu einer Performanc­e aufgelegt, wenn es darum ging, seinen Laden bekannt zu machen, fand er rasch Käufer für seine Ware.

Norbert Kricke, der Bildhauer und zeitweilig­e Rektor der Düsseldorf­er Akademie, rühmte in seinem Nachruf dem Kunstverkä­ufer Schmela nach, dass dessen rheinische­r Humor und sein Charme ihm bei seiner Arbeit zupassgeko­mmen seien. Wenn er bei der Bewertung eines Bildes unsicher gewesen sei, habe er auf die Meinung anderer Künstler mehr gegeben als auf die Ansichten der Kritiker. „Geld verdienen machte ihm Spaß“, schrieb Kricke, doch war sich Schmela immer seiner Verantwort­ung für die Künstler bewusst.

Um Kosten zu sparen, holte er deren Bilder aus den Ateliers oder aus den Semestersc­hluss-Ausstellun­gen der Akademie mit seinem alten Mercedes Diesel ab und brachte, was nicht verkauft war, später auf demselben Weg zurück.

Heute wird leicht übersehen, dass Schmela als Kunsthändl­er der Avantgarde nicht allein stand. Drei Wochen vor ihm hatte Jean-Pierre Wilhelm seine „Galerie 22“in Düsseldorf eröffnet, mit dem Schwerpunk­t informelle Malerei und einem Akzent auf kulturelle­m Austausch zwischen Deutschlan­d und Frankreich. Günther Uecker, der später ein Künstler der Galerie Schmela wurde, erzählte einmal, wie sehr ihn das Angebot Wilhelms begeistert habe: Paik, Twombly, Rauschenbe­rg und überall eine große Nähe zur Musik. Als Uecker sich an Schmela gewandt hatte mit der Bitte, seine Werke auszustell­en, hatte der diese Arbeiten zunächst bei sich abgestellt. Erst 1961 fand er den Mut, sie zu einer Schau zu arrangiere­n. Die Galerie 22 hatte zu dem Zeitpunkt ihren Betrieb eingestell­t.

Seitdem war Schmela das Düsseldorf­er Zentrum der modernen Nachkriegs­kunst. Alfred Schmela verstand wie auch die Zero-Künstler schon etwas von Öffentlich­keitsarbei­t. Da sich zur Ausstellun­g „Zero. Edition, Exposition, Demonstrat­ion“1961 das Fernsehen angesagt hatte – damals noch ein seltener Gast –, zogen die Künstler alle Register. Sie nagelten die Galerie zu, so dass man die Kunstwerke nur durch ein Loch betrachten konnte, und stellten davor einen Bottich mit weißer Farbe auf die Straße. Als Beuys hinzutrat und den Eimer umstürzte, schleppten Passanten an ihren Schuhen den Schleim durch die Altstadt. Als dann auch noch ein Heißluftba­llon in die Luft stieg, war der Rummel perfekt. Vier Jahre später folgte Beuys‘ heute legendäre Aktion „wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“, eine Performanc­e besinnlich­erer Art.

Im Lauf der Jahre wurde Schmelas Angebot immer internatio­naler. Cy Twombly, David Hockney, Alberto Giacometti, Georges Braque, Claude Monet und Lucio Fontana wur- den „seine“Künstler. Schmela kaufte und verkaufte. Für den Aufbau einer privaten Sammlung nebenher blieb ihm keine Zeit, zum Leidwesen seiner Frau. Nach wechselnde­n Standorten bezog Schmela 1971 hinter der Düsseldorf­er Kunsthalle ein vom Niederländ­er Aldo van Eyck entworfene­s, in der Kunst- und Architekte­nszene und darüber hinaus bejubeltes Galeriegeb­äude. Bald kamen Gerhard Richter und Jörg Im-

mendorff als Künstler der Galerie hinzu.

1980 starb Alfred Schmela 61-jährig auf dem Gipfel seiner Vermittlun­gsarbeit. Seitdem leitete seine Tochter Ulrike die Galerie. Sie verkaufte deren Archiv mit Tausenden von Briefen, Skizzen, Fotografie­n und Katalogen ans Getty Research Institute in Los Angeles. Das stieß in Deutschlan­d auf Kritik, doch Ulrike Schmela versichert­e uns, dass sich hierzuland­e kein Archiv gefunden habe, das gleichzeit­ig für eine Erforschun­g der Materialie­n sorgen würde.

Als Ulrike Schmela 2008 mit ihrer Galerie nach Berlin zog, erwarb das Land NRW das Haus und richtete darin eine Dependance der Kunstsamml­ung ein. Schmelas Enkelin Lena Brüning leitet seit 2005 einen eigenen Kunsthande­l in Berlin. Auch sie sucht in der Gegenwart, was die große Kunst der Zukunft sein könnte – ganz der Großvater.

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FOTO: BERND JANSEN Joseph Beuys (r.) und Alfred Schmela in den 1960er Jahren.
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