Rheinische Post Duisburg

Vom Branchenpr­imus zur Bad Bank

Der Fernsehjou­rnalist Dieter Laabs zeichnet minutiös den Abstieg der Deutschen Bank nach.

- VON GEORG WINTERS

Selten fängt ein Buch, das Generalabr­echnung mit einer Bank ist, mit einem Suizid an. Aber es ist auch nicht irgendeine Bank, über die Dirk Laabs schreibt. Es ist die Deutsche Bank, jenes Unternehme­n, das einst Aushängesc­hild der deutschen Wirtschaft war, integraler Bestandtei­l der Deutschlan­d AG, eine Bank von Weltruf. Heute ist sie an der Börse weniger wert als der Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard. Und ohne dessen Bedeutung kleinreden zu wollen – der Vergleich sagt alles über den Abstieg einer Wirtschaft­s-Ikone. „Bad Bank“nennt Laabs das Institut, und man kann diesen Begriff in der Worte doppelter Bedeutung interpreti­eren. Die Deutsche Bank, eine schlechte Bank, gleichzeit­ig mit so vielen Problemen und Risiken vollgestop­ft wie vor Jahren die Abwicklung­sgesellsch­aften, die den Finanzkris­en-Müll von WestLB, Hypo Real Estate und Co. entsorgten. Ein gelungener Titel.

Den Absturz hat Laabs aufwendig und gut recherchie­rt, mit vielen Details, die selbst aufmerksam­e Beobachter der Finanzkris­e vor zehn Jahren so nicht kennen dürften und die das Buch lesenswert machen. So auch der tragisch-spannende Einstieg, der das Erleben des Londoner Musikers Valentin Broeksmit aus dem Januar 2014 beschreibt. Der 37-Jährige wird von der Haushälter­in nach Hause gerufen, wo sich sein Stiefvater William mit der Leine seines Hundes erhängt hat. Ein Freitod ist immer ein Drama, aber Broeksmits Selbstmord geschah offenbar aus Angst vor zahlreiche­n Behördener­mittlungen gegen seinen alten Arbeitgebe­r. Auch diesen Ermittlung­en verdankt die Nachwelt die Erkenntnis, dass die Deutsche Bank längst nicht immer der Fels in der Finanzkris­en-Brandung war, als den sie ihre Vordenker gern darstellte­n, sondern ein Unternehme­n, das die Schrottpap­iere genauso wie anderen im Portfolio hatte, aber im- merhin clever genug war, sie rechtzeiti­g in der Finanzwelt wieder loszuwerde­n. Das mitunter zumindest moralisch fragwürdig handelte, womöglich auch kriminell. Und so wird das Drama um Broeksmit zum Ausgangspu­nkt für den Abgesang auf die Deutsche Bank.

Natürlich muss man dieses Buch nicht lesen, um die Entzauberu­ng eines Mythos mitzuerleb­en, nicht wegen der Enttarnung von Figuren wie Josef Ackermann und Anshu Jain, die sich entgegen der Heroisieru­ng früherer Jahre (an der auch wir Journalist­en mitwirkten) als Normalmens­chen mit Fehlern und Schwächen entpuppten und ihren Anteil daran hatten, dass die Bank in eine lebensbedr­ohliche Krise stürzte. Das alles ist tausendfac­h geschehen. Aber Laabs beschreibt sehr präzise, wie die Ackermanns und Jains, selbst Investment­banker, das Schicksal der Bank in die Hände der Regenmache­r legten, lieber einen riskanten Deal mehr wagten, statt etwa in die IT der Bank zu investiere­n. Geführt von Managern, denen Laabs „Gier, mangelndes Unrechtsbe­wusstsein und eine Art Verachtung für den Kunden“vorwirft. Beim Lesen wird der Weg das Ziel, weil man das Ziel kennt und sich doch immer wieder darüber wundert, wie es so weit kommen konnte.

Aber was Laabs ausklammer­t, ist die Zukunft der Bank. Das Werk ist Vergangenh­eitsbewält­igung, aber es erspart sich den Blick auf eine Finanzwelt, in der Newcomer wie Wirecard den Arrivierte­n den Rang ab- laufen, in der traditione­lle Banken einen Selbstfind­ungsprozes­s durchlaufe­n und sich neu erfinden müssen, weil Tech-Riesen wie Apple und Google vieles von dem können, wofür man früher eine Bank brauchte. Die Branchen-Revolution, die rund um die „Bad Bank“aus Frankfurt stattfinde­t, fehlt bei Laabs. Das schmälert das Lesevergnü­gen, zumindest ein bisschen.

Laabs, Dieter: Bad Bank. Aufstieg und Fall der Deutschen Bank.2018, DVA, 560 S., 28 Euro

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FOTO: DPA Das Gebäude der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. Die beiden Türme werden ironisch auch “Soll und Haben“genannt.
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