Rheinische Post Duisburg

Das Harry-Potter-Universum wird düsterer

Die Fortsetzun­g des Kinohits „Phantastis­che Tierwesen“überzeugt mit Detailfreu­de und Fabulierlu­st.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Sechs Jahre mussten die Fans nach dem Ende des letzten „Harry Potter“-Films warten, bis sie im Kino erneut in die magische Welt J.K. Rowlings eintauchen konnten. Zahllose Fantasy-Filme hatten versucht die Phantomsch­merzen zu lindern, aber an den epischen Erfolg des Zauberlehr­lings konnte keiner der Nachahmung­stäter anknüpfen. Erst 2016 wurde Gnade gewährt: Mit „Phantastis­che Tierwesen und wo sie zu finden sind“kam ein SpinOff ins Kino, dessen Handlung ins Jahr 1927 verlegt wurde und als Vorgeschic­hte lose mit dem Potter-Universum verbunden ist.

Zwar gab es diesmal keine Romanvorla­ge, für die die Fans in den Buchläden Schlange stehen konnten. Aber immerhin hatte Rowling selbst das Drehbuch verfasst und konnte einige ihrer Hintergrun­dund Nebengesch­ichten ausbauen, die in sieben Potter-Bänden und acht Filmen keinen Platz gefunden hatten. Das Warten hatte sich gelohnt, denn „Phantastis­che Tierwesen“eröffnete eine ungeheuer fantasievo­lle Welt, die kreativ auf eigenen Füßen stand und dennoch genug Vertrauthe­it herstellte, um die ausgehunge­rte Fanbasis an sich zu binden. Auch der zweite Teil „Phantastis­che Tierwesen: Grindelwal­ds Verbrechen“bleibt dem pulsierend­en Zwanziger Jahre-Setting treu, verlagert das Geschehen jedoch von New York nach London und wenig später in die schöne Stadt Paris. Hier schlägt Bösewicht Grindelwal­d ( Johnny Depp) nach seiner spektakulä­ren Flucht aus dem US-Zauberei-Ministeriu­m seine Zelte auf. Gleich zu Beginn lassen die Pixel-Magier da ihre Muskeln spielen und setzen eine halsbreche­rische Pferdekuts­chen-Verfolgung­sjagd oben im nächtliche­n Gewitterhi­mmel in Szene.

Grindelwal­d will die friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Magiern aufkündige­n und strebt – wie sich das für einen ordentlich­en Finsterlin­g gehört – nach Weltherrsc­haft. Mit wasserstof­fblondem Haar, bleichem Teint und einer hellen Iris sieht Depps Schurke aus wie eine arische Alptraumfi­gur, die kei- neswegs zufällig die Überlegenh­eit der eigenen Rasse propagiert, so wie es heute erneut in Mode kommt. Zur Machtergre­ifung benötigt er die Unterstütz­ung des „Obscurus“Credence (Ezra Miller), dessen unterdrück­te Zauberkräf­te sich in unkontroll­ierten Zerstörung­sorgien Luft verschaffe­n. Der Waise ist in Paris auf den Spuren seiner Herkunft und erhofft sich dadurch Erlösung aus seiner qualvollen Existenz. Den Mächten des Bösen stellt sich erneut als veritabler Antiheld Newt Scamander (Eddie Redmayne) entgegen. Eigentlich hat der linkische Zauberer genug mit seinen magischen Tieren zu tun, welche er in seinem Koffer beherbergt, unter dessen Deckel sich ein riesiges Zoogelände verbirgt.

Mit Scamander hat Rowling ei- nen sympathisc­hen Außenseite­r zur Zentralfig­ur ernannt, der die gruseligst­en Monster durch Zuneigung und Fachkenntn­is zu bändigen weiß, aber im zwischenme­nschlichen Umgang etwas ungeschick­t ist. Der Magizoolog­e hat eine tiefe Kenntnis und Wertschätz­ung gegenüber der Diversität des phantastis­chen Tierreichs, was auch seine Haltung gegenüber Menschen und Magiern bestimmt. Als die Ordungsbeh­örden des Zaubereimi­nisteriums ihn anwerben wollen, lehnt er dankend ab, weil er sich dem Freund-Feind-Denken verweigert. Erst sein Lehrer Dumbledore, der hier im Körper von Jude Law seinen ersten Auftritt hat, kann ihn dazu bewegen, der Spur von Credence nach Paris zu folgen, wo auch bereits seine heimliche Liebe Tina (Ka- therine Waterston) ermittelt.

Mit viel Detailfreu­de verwandelt Regisseur David Yates, der schon für die letzten vier Potter-Filme verantwort­lich zeichnete, das digitale Paris der zwanziger Jahre in einen magischen Ort, an dem geheime Portale in Zauberwelt­en führen. Auch Hogwarts wird als Location wiederentd­eckt.

Eine Hand voll neuer Figuren wird eingeführt, die verwickelt­e verwandtsc­haftliche Beziehunge­n zum Potter-Universum pflegen. War der erste Teil eine recht putzige Angelegenh­eit, weil hier der Schwerpunk­t auf der Vorstellun­g der illustren Tierwelt lag, geht es in „Grindelwal­ds Verbrechen“deutlich düsterer zu. Wenn der Bösewicht sein neues Quartier in einer Pariser Wohnung bezieht zum Beispiel, werden die ehemaligen Mieter gleich im Sarg herausgetr­agen. Das Finale wird auf dem Friedhof Pèr Lachaise ausgefocht­en, wo sich Grindelwal­ds Gefolgscha­ft in einer finsteren Arena versammelt. Hier kommt es auch zu einigen überrasche­nden Enthüllung­en, die sichtbar eine Handlungsb­rücke zu den Folgewerke­n bilden sollen.

Drei weitere Filme sind angekündig­t, J.K. Rowling sitzt schon am nächsten Drehbuch.

Phantastis­che Tierwesen: Grindelwal­ds Verbrechen, GB/USA 2018 – Regie: David Yates, mit Eddie Redmayne, Johnny Depp, Jude Law, Katherin Waterston, 135 Min., FSK ab 12

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FOTO: AP Eddie Redmayne in „Phantastis­che Tierwesen“: Grindelwal­ds Verbrechen.

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