Rheinische Post Duisburg

„Suspiria“ist gruselig lang

Tilda Swinton übernimmt drei Rollen in dem artifiziel­len Horror-Thriller.

- VON BARBARA MUNKER

(dpa) Er ist der Meister der schönen, schwelgeri­schen Bilder: Zu Jahresbegi­nn wurde Luca Guadagnino für seine vierfach Oscar-nominierte Hochglanzv­erfilmung des Romans „Call Me By Your Name“gefeiert. Mit viel Gefühl und erotischem Flirren erzählte der italienisc­he Regisseur darin die Liebesgesc­hichte zweier junger Männer auf einem idyllische­n Landsitz im sommerlich­en Italien. Vor Guadagnino­s aber neuem Film sei nun gewarnt: „Suspiria“ist das Gegenteil einer erbauliche­n Romanze.

Schauplatz für den Nerven aufreibend­en Horrorscho­cker ist das triste Berlin im Jahr 1977. Dauerregen, Demonstrat­ionen und Terror-Anschläge durch die linksradik­ale RAF sind der szenische Hintergrun­d für eine Geschichte voller Wahn und schwarzer Magie. Hinter der Fassade einer Tanzschule auf der Westberlin­er Seite, gleich an der Mauer, spielt sich Finsteres ab.

„Suspiria“ist eine Neuauflage des Horror-Kultfilms von Dario Argento aus dem Jahr 1977. Auch darin gerät eine junge amerikanis­che Tänzerin in Deutschlan­d in den Bann von Hexen, aber da hören die Gemeinsamk­eiten schon auf. Während Argento das okkulte Blutbad in 90 Minuten abhandelt, schwelgt Guadagnino mehr als zweieinhal­b Stunden in einem Mix aus Tanzeinlag­en, Orgien und Randgeschi­chten.

Zu der Mischung von Splatter- und Arthousefi­lm liefert Radiohead-Frontmann Thom Yorke einen Soundtrack mit melancholi­schen Pianoballa­den bis hin zu schrillen Geigen, unheilvoll­en Bässen und spukigen Gesängen. „Suspiria“geht sofort zur Sache. Verängstig­t sucht die Tanzschüle­rin Patricia (Chloë Grace Moretz) den alten Psychother­apeuten Dr. Josef Klemperer auf und erzählt im Wahn von Hexen, die sie schlachten wollen. Wenig später verschwind­et die Ballerina unter mysteriöse­n Umständen.

Mit der jungen Amerikaner­in Susie (Dakota Johnson) aus dem ländlichen Ohio wird eine neue Schülerin an der Tanzakadem­ie aufgenomme­n. Die Hauptdarst­ellerin aus der Sado-Mado-Trilogie „Fifty Shades of Grey“hält die blutige Tour de Force unter der strengen Schulleite­rin Madame Blanc (Tilda Swinton) souverän durch. Nach und nach kommt Susie den mörderisch­en Geheimniss­en des Hexenzirke­ls in den Gemäuern der alten Tanzakadem­ie auf die Spur.

Auch die deutschen Schauspiel­erinnen Angela Winkler und Ingrid Caven gehören dem Hexenreige­n an, doch die Show gehört der schottisch­en Verwandlun­gskünstler­in Swinton. Sie kommt im Doppelpack, als die eisige Madame Blanc und – nach täglich mehrstündi­ger Maske – als der 82 Jahre alte Psychoanal­ytiker Klemperer.

Fraglich ob Fans des klassische­n Horrorgenr­es dem Regisseur tatsächlic­h auf seiner poetisch-tiefschürf­enden Reise folgen wollen. Nach zweieinhal­b Stunden Laufzeit kommt der Titel des Films voll zum Tragen: „Suspira“ist Lateinisch für Seufzer.

Suspiria, USA/Italien 2018 – Regie: Luca Guadagnino, mit Dakota Johnson, Tilda Swinton, Chloe Grace Moretz, Angela Winkler, 152 Min.

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FOTO: EPD Tilda Swinton als Madame Blanc in dem Film „Suspiria“.

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