„Suspiria“ist gruselig lang
Tilda Swinton übernimmt drei Rollen in dem artifiziellen Horror-Thriller.
(dpa) Er ist der Meister der schönen, schwelgerischen Bilder: Zu Jahresbeginn wurde Luca Guadagnino für seine vierfach Oscar-nominierte Hochglanzverfilmung des Romans „Call Me By Your Name“gefeiert. Mit viel Gefühl und erotischem Flirren erzählte der italienische Regisseur darin die Liebesgeschichte zweier junger Männer auf einem idyllischen Landsitz im sommerlichen Italien. Vor Guadagninos aber neuem Film sei nun gewarnt: „Suspiria“ist das Gegenteil einer erbaulichen Romanze.
Schauplatz für den Nerven aufreibenden Horrorschocker ist das triste Berlin im Jahr 1977. Dauerregen, Demonstrationen und Terror-Anschläge durch die linksradikale RAF sind der szenische Hintergrund für eine Geschichte voller Wahn und schwarzer Magie. Hinter der Fassade einer Tanzschule auf der Westberliner Seite, gleich an der Mauer, spielt sich Finsteres ab.
„Suspiria“ist eine Neuauflage des Horror-Kultfilms von Dario Argento aus dem Jahr 1977. Auch darin gerät eine junge amerikanische Tänzerin in Deutschland in den Bann von Hexen, aber da hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Während Argento das okkulte Blutbad in 90 Minuten abhandelt, schwelgt Guadagnino mehr als zweieinhalb Stunden in einem Mix aus Tanzeinlagen, Orgien und Randgeschichten.
Zu der Mischung von Splatter- und Arthousefilm liefert Radiohead-Frontmann Thom Yorke einen Soundtrack mit melancholischen Pianoballaden bis hin zu schrillen Geigen, unheilvollen Bässen und spukigen Gesängen. „Suspiria“geht sofort zur Sache. Verängstigt sucht die Tanzschülerin Patricia (Chloë Grace Moretz) den alten Psychotherapeuten Dr. Josef Klemperer auf und erzählt im Wahn von Hexen, die sie schlachten wollen. Wenig später verschwindet die Ballerina unter mysteriösen Umständen.
Mit der jungen Amerikanerin Susie (Dakota Johnson) aus dem ländlichen Ohio wird eine neue Schülerin an der Tanzakademie aufgenommen. Die Hauptdarstellerin aus der Sado-Mado-Trilogie „Fifty Shades of Grey“hält die blutige Tour de Force unter der strengen Schulleiterin Madame Blanc (Tilda Swinton) souverän durch. Nach und nach kommt Susie den mörderischen Geheimnissen des Hexenzirkels in den Gemäuern der alten Tanzakademie auf die Spur.
Auch die deutschen Schauspielerinnen Angela Winkler und Ingrid Caven gehören dem Hexenreigen an, doch die Show gehört der schottischen Verwandlungskünstlerin Swinton. Sie kommt im Doppelpack, als die eisige Madame Blanc und – nach täglich mehrstündiger Maske – als der 82 Jahre alte Psychoanalytiker Klemperer.
Fraglich ob Fans des klassischen Horrorgenres dem Regisseur tatsächlich auf seiner poetisch-tiefschürfenden Reise folgen wollen. Nach zweieinhalb Stunden Laufzeit kommt der Titel des Films voll zum Tragen: „Suspira“ist Lateinisch für Seufzer.
Suspiria, USA/Italien 2018 – Regie: Luca Guadagnino, mit Dakota Johnson, Tilda Swinton, Chloe Grace Moretz, Angela Winkler, 152 Min.