Rheinische Post Duisburg

Er hört Platten, sie will Kinder

„Juliet, Naked“ist die warmherzig­e Verfilmung des Romans von Nick Hornby.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Dieser Film handelt von dem Irrglauben der Männer, dass Frauen es auch so toll finden wie sie, wenn die Wohnung vollsteht mit Platten. Duncan ist Mitte 40 und denkt so, seine Freundin Annie aber nicht. Sie hätte gerne ein Kind, aber es scheitert an Gelegenhei­ten, denn Duncan verbringt jede freie Minute in einem Fan-Forum im Internet. Dort huldigt er dem US-Musiker Tucker Crowe, der vor langer Zeit ein irre gutes Album aufgenomme­n hat und dann verschwand.

Ach, das ist ein schöner Film, die Farben sind wohltemper­iert, die Atmosphäre ist herzlich, und Hauptdarst­ellerin Rose Byrne schaut immer so schön unglücklic­h, als hätten die Motten gerade ihr Lieblingsk­leid von Laura Ashley gefressen. Seit 15 Jahren sitzt sie im britischen Küstenkaff Sandcliff fest. Im örtlichen Museum kuratiert sie eine Ausstellun­g über den Sommer des Jahres 1964. Das heißeste Schauobjek­t ist das eingelegte Auge eines Hais, der damals dort strandete.

Existenzie­lle Langeweile also, und um mal Pfeffer in den Alltag zu bringen, schreibt sie im Fanforum ihres Freundes einen Verriss zur neuen Raritäten-CD seines Idols. Der echte Tucker Crowe liest das und antwortet ihr: Super Text; sie sei die erste, die mal sage, was Sache ist. Außerdem komme er bald nach London.

Tucker Crowe wird von Ethan Hawke gespielt, der – wie im Großteil seiner Filmograph­ie – in Chucks über die Leinwand schlurft und seinen vielen Kindern verheimlic­ht, wie viele Kinder er genau hat. Was er in der Zeit seiner mysteriöse­n Abwesenhei­t gemacht hat? „Ein paar Jahre verlor ich an Drogen und Alkohol und 14 Jahre an die Serie ,Law & Order’.“In London erleidet er einen Herzinfark­t, alle müssen an sein Krankenbet­t reisen, und weil er rasch wieder fit ist, schimpft die ExFrau: „10.000 Dollar für die Flüge, und dir geht es wieder gut?“

Zur gleichen Zeit wird Annie von Duncan mit einer Frau betrogen, die Tucker Crowe auch so mag wie Duncan, weswegen Annie ihren Duncan dann einfach mit Tucker Crowe betrügt. Duncan reagiert wie ein Waschlappe­n: „Gibt es ein Zurück für mich? Momentan tendiere ich nämlich dahingehen­d.“Es wird eng für ihn.

Weitere Pluspunkte des Films: Als Vorlage dient der Roman von Nick Hornby. Regisseur Jesse Peretz spielte einst in der Band Lemonheads. Man fühlt sich an „Notting Hill“erinnert; ein bisschen „Vier Hochzeiten“ist auch dabei und natürlich „High Fidelity“. Es kann also gar nichts schiefgehe­n, und es geht auch nichts schief. Allein die Szene, in der Annie die beiden Männer einander vorstellt, ist das Geld wert: „Das ist Tucker Crowe.“– „Und ich bin Stevie Wonder. Wer bist du, Annie? Eartha Kitt?“Gegen Ende singt Ethan Hawke auch noch „Waterloo Sunset“von den Kinks.

I am in paradise.

Juliet, Naked, USA/England 2018 – Regie: Jesse Peretz, mit Rose Byrne, Ethan Hawke, Chris O‘Dowd, 105 Min.

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FOTO: EPD Love Me Do: Ethan Hawke und Rose Byrne in „Juliet, Naked“.

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