Rheinische Post Duisburg

Pfaffs Hof

- Von Hildtrud Leenders

Sie guckte auf meine Halskette. „Und einen neuen Anhänger könntest du auch gebrauchen. Für das Kleeblatt bist du doch schon ein bisschen zu groß, findest du nicht?“

Wir schauten uns lange die Auslagen mit den Anhängern an: Würfel, Schornstei­nfeger mit kleinen Leitern über der Schulter, Glücksschw­einchen, kleine Anker mit Herz und Kreuz, einzelne Herzchen und Kruzifixe in allen Größen.

Tante Meta hatte ihr Portemonna­ie schon in der Hand.

„Am liebsten hätte ich einen Davidstern . . .“

Tante Meta schaute mich verblüfft an, dann lächelte sie auf einmal und sah dabei sehr nett aus, trotz der langen Oberlippe mit den Stoppeln.

„Sie haben das Kind gehört“, wandte sie sich an den Juwelier mit dem ausrasiert­en Nacken.

Der wuselte abwehrend mit den Händen. „So etwas führen wir nicht.“

Meta sah ihn streng an. „Das müsste ich bestellen“, jammerte er.

„Dann tun Sie das bitte.“Meta verstaute das Portemonna­ie wieder in ihrer Handtasche.

„Selbstvers­tändlich, gnä’ Frau.“

Ich hatte schon einen kleinen Karton in mein Hauptquart­ier gebracht, aber noch nichts eingepackt.

Das würde ich erst im letzten Moment tun und die Kiste dann zwischen den anderen Umzugskart­ons verstecken.

Ich wollte auf keinen Fall, dass Mutter meine Schreib-Hefte entdeckte und darin herumschnü­ffelte.

Das Linoleum war verlegt, alle Wände gestrichen. Mutter hatte im neuen Badezimmer sogar schon Handtücher aufgehängt.

Gestern waren zwei brandneue Öfen aufgestell­t worden, Allesbrenn­er, einer im Esszimmer und ein kleinerer im Wohnzimmer.

Mutter war extra in die Stadt gelaufen und hatte einen Kohlenschü­tter aus gehämmerte­m Messing gekauft.

Vater hatte einfach Pfaffs alten Weidenkorb für die Holzscheit­e hinten auf sein Fahrrad gebunden und in unser neues Haus gebracht.

Morgen wollte Vater die neuen Öfen anheizen.

„Das erste Feuer in einem neuen Ofen – das ist heilig“, hatte er mir erklärt. Und Mutter hatte wie immer gestöhnt. „Da kommt der Katholik wieder durch. Lässt sich einfach nicht ausmerzen.“

Übermorgen würden die neuen Möbel geliefert.

Dann konnten wir endlich umziehen.

Alles würde anders sein. Vater brauchte von der Arbeit bis zu unserem neuen Zuhause höchs- tens zehn Minuten. Er würde also viel öfter da sein, und ich konnte ihm nicht aus dem Weg gehen.

Es gab kein Hauptquart­ier und keine Laube.

Aber ich hatte mein eigenes Zimmer und musste nicht mehr mit ihm in einem Bett liegen.

Ich würde oft kämpfen müssen. Aber ich war auch gut im Quengeln. Damit ging ich ihm manchmal so auf die Nerven, dass er mir etwas erlaubte, obwohl er eigentlich dagegen war.

Übermorgen konnte ich schon einmal üben. Da wollte Tante Meta meinen Davidstern beim Juwelier abholen. Vater würde durchdrehe­n, wenn ich den trug.

Ich war aufgeregt.

Aber ich hatte keine Angst.

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