Falke und die unfreiwillige Bürgerwehr
Im Norddeutschland-„Tatort“geht es um Einbruchsopfer, die sich zur Selbstjustiz getrieben fühlen.
HAMBURG Der ertappte Einbrecher ist tiefenentspannt. Egal wie laut Raubein Falke (Wotan Wilke Möhring) seine Fragen bellt, während Grosz (Franziska Weisz) ihn anfunkelt. Weshalb er mit Akkubohrer, Schraubenzieher und Sturmmaske im Gepäck durch die nächtlichen Straßen Hamburger Vororte schleiche? Mit stolzer Coolness spult Kolya (Tilman Pörzgen) seinen offenbar vorbereiteten Gag ab. „Ist kalt in Deutschland“, sagt er grinsend. „Und immer irgendwo Schraube locker. Die drehe ich dann gerne wieder fest. Bei Ihnen vielleicht auch?“
Ein Mann, eine Botschaft: Ihr könnt mir gar nix. Der junge Verbrecher mit dem Hipster-Herrendutt traut sich sogar, Grosz gleich mehrmals unzweideutig zuzuzwinkern: Ich Einbrecher-Tarzan, du Ermittler-Jane.
Schwer frustriert schmeißen die Ermittler ihn schließlich raus – und sehen neidisch zu, wie der gutaussehende Kleingangster von seiner verliebten Freundin abgeholt wird.
Selbstverständlich laufen sie ihm ein, zwei Nächte später erneut über den Weg, doch diesmal witzelt er nicht. Kann er auch nicht, denn er ist tot. Hausbesitzer Dieter Kranzbühler ( Jörg Pose) hat ihn erschossen, in Notwehr. Falke ist entsetzt über diesen unnötigen Tod, Grosz hingegen kann die Emotionen schon besser nachvollziehen, die auf das Einbruchsopfer und dessen Bruder einstürzen: Schutzlosigkeit, Ohnmacht, Wut. Und das Gefühl, die Rechte der Täter seien allen wichtiger als jene der Opfer; der Polizei, der Justiz, den Journalisten.
Weisz verfolgt erst amüsiert, dann alarmiert, wie sich die Stimmung im kleinbürgerlichen Neugraben hochschaukelt – im Netz, aber zunehmend auch im echten Leben. Kranzbühler, der ein Menschenleben ausgelöscht hat, bekommt Applaus, eine Nachbarin verspricht ihm gar einen 100-Euro-Tankgutschein. Als Trost – oder als Kopfgeld?
Schlimmer noch: Die Freundin des Einbrechers ist auf der Flucht, doch ihre Vorgesetzten hindern die Bundespolizisten geradezu daran, sie zu finden: Grosz und er bekommen keine Hundertschaft, keinen Hubschrauber, sondern nur zwei Hunde. Irgendwann, wenn ihr der-
zeitiger Einsatz beendet ist. Aber auch die Bürgerwehr – etwas sehr arg radikalisiert, aber nicht ohne Verständnis präsentiert – will die Flüchtige in die Finger bekommen. So beginnt die titelgebende Treibjagd auf das verängstigte Gör. Ein solider Fall für Grosz, die bei ihrem fünften Auftritt ein dynamisches Duo mit dem fluchenden Falke bildet. Der ist noch immer heillos damit überfordert, ihr privat näher zu kommen, darf sein Sozialverhalten aber in dieser Folge mal wieder mit seinem Sohn Torben und seiner Katze Elliot üben. Alles auf dem Weg.
„Tatort: Treibjagd“, Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr