Im heiligen Schwitzkasten
Die Finnen sind ein Volk der Einheizer: Im ganzen Land gibt es zwei Millionen Saunas. Wie gut das Schweißtreiben Körper und Seele tut, erfährt man am eigenen Leib in Helsinki.
Wer ins Allerheiligste vorgelassen werden will, muss am Hohepriester vorbei. Der Herr des Feuers erscheint mit einem dreizackigen Schürhaken in der Hand und einem diabolischen Lächeln auf den Lippen. Er wirkt, als sei er ein kleines Teufelchen, dem es höllisch Spaß bereitet, Menschen gehörig einzuheizen. Seppo Pukkila, Ende 60, könnte längst in Rente sein. Doch die Sauna Löyly, ein futuristischer Fels aus Holz im alten Hafenareal von Helsinki, suchte einen Experten für den aromatischsten Aufguss der Stadt. Da konnte er nicht nein sagen.
Löyly – so nennen sie den Dampf, der in der Sauna nach dem Aufguss entsteht. Hier, wo die Wände und die Bänke mit den Jahren schwarz werden vom Rauch und sich kein Sauna-Spießer daran stört, dass Schweiß aufs Holz tropft. Es gibt keine Sanduhren, keine Verbote, keine Aufgüsse zur halben Stunde, sondern immer, wenn jemandem danach ist. Wie ein Flammenwerfer frisst sich die Hitze dann durch die Reihen, die halblaut geführten Gespräche verstummen. Nach der Abkühlung in der Ostsee fühlt man sich dann wie neu geboren: Der Wechsel von Hitze und Kälte belebt den Kreislauf und stärkt das Immunsystem.
Eine Rauchsauna anzuheizen ist eine Wissenschaft für sich. Zweieinhalb Stunden lang legt Seppo Pukkila Birkenscheite ins Feuer, bis die Steine im Ofen glühen. Dann verschließt er eine Klappe im Schornstein und legt zwei Stunden lang Erlenscheite nach – die sorgen für das besondere Aroma. Zum Schluss wird gelüftet und der Ruß mit Wasser abgespült. Für die Finnische Sauna-Gesellschaft, einen Club mit 4200 Mitgliedern, hat Seppo Pukkila über 14.000 Mal die Rauchsaunas angeheizt. Nun ist er Feuer und Flamme für seinen neuen Arbeitgeber: In der öffentlichen Löyly-Sauna darf nämlich jeder schwitzen, der die paar Euro Eintritt bezahlt.
„Ihr Deutschen habt ja nicht nur Diplom-Ingenieure, sondern auch Bademeister mit Sauna-Diplom“, frotzelt Seppo Pukkila. „Bei uns Finnen gibt’s für die Sauna keine fixen Regeln.“Angesichts von über zwei Millionen privaten und öffentlichen Saunas im Land sauniert jeder der knapp fünf Millionen Finnen so, wie er möchte. Wer mit Karri Korppi, dem Gründer von „Happy Guide Helsinki“, für eine Sauna-Tour mit dem Leihfahrrad unterwegs ist, kommt also auf ganz unterschiedliche Art und Weise ins Schwitzen.
Karri Korppi bringt seine Gäste zur Sauna des Lapinlahti-Krankenhauses, die um das Jahr 1880 gebaut wurde und heute noch in Betrieb ist. Anschließend geht es aufs Riesenrad: Das „Sky Wheel“transportiert Besucher auf 40 Meter Höhe, und eine der Gondeln wurde zur Sauna umgebaut. Alternativ saunieren kann man in der von einer Gruppe von Freiwilligen errichteten Sompasauna: Der Eintritt ist frei – nur das Holz für den Ofen muss man selbst hacken. Hier gehen Männer und Frauen gemeinsam nackt in den Schwitzkasten. Im ehemaligen Arbeiterviertel Kallio, in der Kotiharjun-Sauna aus dem Jahr 1928, sauniert man dagegen nach Geschlechtern getrennt, und kühlt sich auf dem Bürgersteig ab.
Der Mittdreißiger Jaako Blomberg ist in der Stadt bekannt wie ein bunter Hund, seit er spontan Flohmärkte organisiert und seine Mitmenschen zum gemeinsamen Abendessen unter freiem Himmel aufgerufen hat. Nun nimmt er die Wohnungen seiner Landsleute ins Visier. „Bei uns dauert es oft ewig, bis man in eine Sauna eingeladen wird“, sagt der Aktivist. Um das zu ändern, hat er seine Mitbürger aufgefordert, ihre privaten Saunas für Fremde zu öffnen. Über 50 Besitzer machten mit. Der Event war so populär, dass es den „Helsinki Sauna Day“seither regelmäßig gibt.
Die Redaktion wurde von Visit Finland zu der Reise eingeladen.