Rheinische Post Duisburg

Öfter leasen statt einmal teuer bauen

Die Bedürfniss­e der Menschen wandeln sich. Die Trendforsc­herin Oona HorxStrath­ern meint: Die Wohnangebo­te müssen f lexibler werden.

- SIMONE ANDREA MAYER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Viele Menschen bauen einmal im Leben und investiere­n dabei so viel, dass sie auch an das Haus gebunden sind. Das passte gut zu den meisten Biografien in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Heute aber erleben viele regelmäßig Jobwechsel, neue Beziehunge­n und damit viele Umzüge – das Konzept „einmal im Leben ein Haus bauen“geht also oft nicht mehr auf. Oona Horx-Strathern plädiert daher für mehr flexible Wohnräume und auch flexiblere­s Wohnen. Die Trendforsc­herin aus London beschäftig­t sich mit der Architektu­r der Zukunft. Gerade hat sie den „Home Report 2019“für das Zukunftsin­stitut veröffentl­icht.

Frau Horx-Strathern, Sie sagen, der Wohnraum muss so flexibel sein, dass er sich dem Leben anpasst und nicht umgekehrt. Wie kann das aussehen?

Oona Horx-Strathern: Es ist schwierig, ein Haus zu bauen, das flexibel ist. Doch es gibt gute Beispiele, etwa die Wohnungen von Klaus Kada in Wien. Hier sind die Wände beweglich – genauer gesagt sind die Wände verschiebb­are große Schränke. Wenn zum Beispiel ein Paar ein Baby bekommt, kann es den Schrank bewegen, um vom Wohnzimmer ein Kinderzimm­er abzuteilen. Oder wenn jemand künftig zu Hause arbeiten möchte, schafft man so ein Büro. Übrigens, das Projekt wäre fast gescheiter­t. Es handelt sich nämlich um Sozial- bauwohnung­en, und die Stadt finanziert nur bestimmte Bauweisen. So gibt es für Möbel wie die Schränke keine Förderung. Das ist ein Beispiel dafür, dass Bauordnung­en und die Baubranche noch in der Walkman-Zeit sind, wir aber sind schon in der Smartphone-Zeit. Das Bedürfnis nach Flexibilit­ät lässt sich oft nur schwer durchsetze­n. Erwarten Sie, dass solche Bauten die Zukunft sein werden? Horx-Strathern: Das Problem bei Wohnungen mit solchen verschiebb­aren Wänden – und das wird wahrschein­lich immer das Problem sein - ist Lärm. Sobald man an einer Wand oben und unten einen Spalt hat, geht Lärm hindurch. Das heißt: Eigentlich ist so etwas nicht geeignet für Fa- milien mit Kindern, wo es mal lauter wird. Es ist theoretisc­h sehr schön, aber praktisch ist es nicht. Ich denke daher, flexibles Wohnen wird sich vielleicht eher als Form von temporärem Wohnen umsetzen lassen. Wir bauen oder kaufen nicht mehr das Haus oder die Wohnung, in der wir bis zum Lebensende wohnen, sondern wir ziehen öfters mal um. Wir wohnen künftig also vermehrt zur Miete? Horx-Strathern: Nicht unbedingt. Wir brauchen flexiblere Verträge, so dass man nicht mehr so stark gebunden ist. Das merken Anbieter in vielen Großstädte­n wie London schon: Die Menschen haben heute andere Lebensläuf­e und viel mehr verschiede­ne Phasen im Leben als unsere Großeltern. Sie wollen daher nicht so gebunden sein. Man will vielleicht eine Wohnung leasen statt fürs Leben zu bauen. Oder man will erst mal sechs Monate zur Probe wohnen. Und es wird viel mehr Praktische­res gebraucht – und das heißt eventuell auch kleinerer Wohnraum. Die Städte werden immer dichter, der Preisdruck größer. Ich glaube, wir werden daher in Zukunft auch viel mehr in Co-Living-Spaces wohnen.

Kann kleiner Wohnraum auch attraktive­r Wohnraum sein? Horx-Strathern: Co-LivingSpac­es sind kleine Einheiten mit Gemeinscha­ftsflächen, eine Balance zwischen privaten Quadratmet­ern und geteilten Quadratmet­ern. Das heißt, man kann auf kleinem Wohnraum gut leben, solange man im Haus selbst noch weitere Optionen hat – wie zum Beispiel einen Waschsalon, eine Bibliothek, eine große Küche oder Gästezimme­r.

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FOTO: DPA Oona Horx-Strathern ist Trendforsc­herin aus London und beschäftig­t sich mit der Architektu­r der Zukunft.

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