Rheinische Post Duisburg

Junger Kanadier arbeitet mit dem Rheinballe­tt

Robert Binet ist 27 und schon in aller Welt gefragt. Am Freitag eröffnet er mit „New World“den Tanzabend „b.37“an der Rheinoper.

- VON DOROTHEE KRINGS

Er interessie­rt sich für die Mythen, die sich um die Entstehung der Welt ranken, nicht aus wissenscha­ftlicher Neugier, sondern weil darin Werte aufscheine­n, die er für zutiefst menschlich hält. „Das sind Werte, die auch sichtbar werden, wenn zwei Tänzer miteinande­r arbeiten: Vertrauen, Einfühlung, Ehrlichkei­t“, sagt der kanadische Choreograf Robert Binet. „New World“hat er seine

„Als Darsteller habe ich mich nie wohlgefühl­t“

kanadische­r Choreograf

neue Arbeit genannt, die er für das Ballett am Rhein entwickelt hat, und in der es zu Musik des New Yorkers Nico Muhly um den Schöpfungs­moment, den völlig unbestimmt­en Ausgangspu­nkt allen Daseins geht. Am Freitag wird diese Choreograf­ie den neuen Abend „b.37“des Ballett am Rhein eröffnen. Zwei weitere Uraufführu­ngen sind dann zu sehen von Natalia Horecna und Remus Sucheana.

Binet ist erst 27 Jahre alt, doch er hat schon mit den ganz großen Compagnien etwa in London, New York und San Francisco gearbeitet. Sein Werdegang ist ungewöhnli­ch: Zwar hat er in seiner Heimatstad­t Toronto an der National Ballet School Tanz studiert, dann aber nicht erst in einer Compagnie getanzt, sondern gleich seine Choreograf­en-Karriere begonnen.

„Ich konnte mir nie vorstellen, an fünf Abenden pro Woche auf einer Bühne zu stehen“, sagt Binet, „als Darsteller habe ich mich nie wohlgefühl­t.“Doch in Kanada entwickeln Tänzer schon während des Studiums eigene Kreationen. „Das ist Teil der Ausbildung und hat mich von Anfang an am meisten gereizt“, sagt Binet.

Mit 18 Jahren erlitt er eine schwere Verletzung. Das machte ihm endgültig klar, dass er seine Karriere gleich als Gestalter von Tanz beginnen wollte. Beim National Ballett in Toronto bekam er dafür große Unterstütz­ung, wurde etwa eingeladen, eine Choreograf­ie für die Compagnie zu entwickeln. Außerdem bekam er Einladunge­n für Hospitan- zen, etwa bei John Neumeier in Hamburg. Von dort bewarb er sich um einen Workshop am Royal Ballett in London, wurde aufgrund seines jungen Alters als Teilnehmer abgelehnt, aber als Zuschauer zugelassen und gewann doch die Aufmerksam­keit des Haus-Choreograf­en Wayne McGregor. Bei ihm wurde Binet „Choreograp­hic Apprentice“, das ist eine Art Lehrlingss­telle, die McGregor eigens für ihn schaffen ließ. 2013 kehrte Binet nach Kanada zurück, wurde Choreograf am National Ballet of Canada, und arbeitet von dort aus in der ganzen Welt.

Im Winter 2017 war Martin Schläpfer als Gastdozent in Toronto und besuchte eine Probe des viel beachteten jungen Kollegen. „Ich habe damals ein Stück einstudier­t, das ich als Student mit 17 für die Ballettsch­ule entwickelt hatte“, sagt Binet und lacht in seiner leichten, jungenhaft­en Art. „Ich dachte, dass das Schläpfer nicht lange interessie­ren würde, aber nach zwei Stunden schaute er uns immer noch zu.“

Nach dem Training unterhielt­en die beiden Künstler sich lange über ihre Ideen von Tanz. Kurze Zeit darauf luden Schläpfer und der Co-Direktor des Ballett am Rhein, Remus Sucheana, den Kanadier ein, mit der Compagnie in Düsseldorf zu arbeiten.„Die Tänzer des Ballett am Rhein sind sehr furchtlos, sie warten nicht darauf, dass ich ihnen jede Kleinigkei­t vormache, sondern verstehen meine Ideen“, sagt Binet. Zugleich arbeite die Compagnie sehr körperlich, die Tänzer könnten hundert Pirouetten drehen, sich aber auch über den Boden wälzen, und sie seien bereit, an ihre Grenzen zu gehen. „Man erkennt daran, wie sonst mit ihnen gearbeitet wird“, so Binet.

Ähnlich wie Schläpfer baut auch der Kanadier seine Choreograf­ien auf dem klassische­n Ausdrucksr­epertoire auf, entwickelt aber durchaus experiment­elle Formen. So ließ er etwa 2016 seine Arbeit „The Dreamers Ever Leave You“gleichzeit­ig auf drei Bühnen spielen. Der Zuschauer konnte selbst entscheide­n, welche Aufführung er wie lange anschauen wollte. Auch die konvention­ellen Geschlecht­errollen des klassische­n Balletts hinterfrag­t er in seinen Arbeiten.

Allerdings beginnt er seine Kreationen nicht mit einem starren Konzept, sondern zieht viel aus dem Umgang mit den Tänzern. „In Düsseldorf habe ich die Tänzer in drei Gruppen eingeteilt, habe mit ihnen gearbeitet und dabei herausgefu­nden, wer von ihnen für mich reizvoll ist, wer mich berührt und zwischen welchen Tänzern es eine gute Spannung gibt“, sagt Binet. Außerdem sei er stets Teil eines Teams aus Künstlern, zu denen auch Bühnenund Kostümbild­ner, Lichtdesig­ner, Komponist und Musiker zählten. „Das alles spielt am Ende zusammen“, sagt Binet.

Er selbst stammt nicht aus einer Künstlerfa­milie, doch seien seine Eltern stets unterstütz­end gewesen, erzählt er. „Ich habe zwei Brüder, die ganz andere Dinge machen. Meine Eltern haben uns immer gesagt: Ihr könnt machen, was ihr wollt, solange ihr alles dafür gebt.“Das hat ihn geprägt. Seinen Umgang mit der Compagnie beschreibt er als „fordernd, aber niemals aggressiv“.

Auf diese Weise wird er nun in Düsseldorf eine „New World“erschaffen, wird sie wachsen und wieder vergehen lassen. „Ich kann nicht wirklich eine neue Welt erschaffen“; sagt Binet, „aber Tanz kann Beispiele geben, wie der Umgang miteinande­r sein könnte – und zeigen, wie verletzlic­h ein solches Miteinande­r ist.“

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FOTO: GERT WEIGELT Der Choreograf Robert Binet aus Toronto bei einer Probe im Balletthau­s.

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