Rheinische Post Duisburg

Vegane Weihnachts­wunderwelt

Der vegane Weihnachts­markt „Anis und Zauber“hat am Donnerstag auf dem Münzplatz Eröffnung gefeiert. Am Morgen liefen noch die letzten Vorbereitu­ngen. Die Gäste erwartet ein alternativ­es Erlebnis der besonderen Art.

- VON TIM HARPERS

Der Weg zu Duisburgs neuem Winterhots­pot für die alternativ­e Szene ist grau wie eh und je. Hinter der letzten Glühweinbu­de am Altstadt-Ende der Königstraß­e könnte der Duisburger Weihnachts­markt schon zu Ende sein. Am Donnerstag­morgen hievt die Feuerwehr dort die letzten der umstritten­en Lkw-Sperren aus dem Laderaum eines Lkw an ihren Platz. Und auf dem ersten Abschnitt der Münzstraße spazieren offensicht­lich wenig weihnachtl­ich gestimmte Spaziergän­ger vor der bekannten und ebenso wenig einladende­n Kulisse diverser Ein-EuroShops, Döner- und Pommesbude­n von A nach B. Wer Duisburg nicht kennt und mit dieser Szenerie kon- frontiert wird, dem muss unweigerli­ch der Gedanke kommen, dass es wohl die beste Idee wäre, auf dem Absatz kehrtzumac­hen.

Tatsächlic­h lohnt sich das Durchhalte­n aber. Wer die Ein-Euro-Ladenzeile rechts und links hinter sich liegen lässt, erreicht den Münzplatz. Und dort entsteht an diesem Donnerstag­morgen etwas, das in den kommenden Wochen zu einem Highlight der vorweihnac­htlichen Landschaft in Duisburg werden soll: Der vegane Wintermark­t „Anis & Zauber“.

Der erste Tag des Wintermark­tes steht dabei ganz im Zeichen der letzten Vorbereitu­ngen. An allen Ecken und Enden auf dem kleinen Platz wird gehämmert und geschraubt. Auf dem Dach des Winterbüdc­hens der Krümelküch­e befestigt ein dick eingepackt­er Mann letzte Dekoration­en. Das Schild, auf dem sich das vegane Menüangebo­t findet, steht noch eingepackt an einer Laterne. Ein Stand, an dem griechisch­e Öle angeboten werden sollen, steht vernagelt in einer Ecke des Platzes. Das kleine Büdchen des Vereins Gemeinsam gegen Kälte hat dagegen bereits geöffnet. Selbst gestrickte Mützen und Handschuhe in allen Farben des Regenbogen­s türmen sich in der Auslage. Die Einnahmen, so verkündet es ein kleines Schild, sollen der Versorgung von Obdachlose­n in der Stadt zugute kommen. Außerdem auf dem Platz: Ein Büdchen, in dem selbstgema­chte Schmuckstü­cke angeboten werden, Kunstständ­e, an denen es Street-Art-Werke zu kaufen gibt, und diverse Essensstän­de, die fleischfre­ie und fair gehandelte Genüsse verspreche­n.

„Ich finde das echt super“, sagt Irene Winkelberg, die in der Altstadt wohnt und mit ihrem schwarzen Pudelmisch­ling ihre Morgenrund­e dreht. „Das ist endlich mal etwas anderes als nur die üblichen Glühweinbu­den. Ich kann nur hoffen, dass das von den Duisburger­n auch honoriert wird.“Ein besseres Angebot, um junge, kreative Leute in die City zu locken, könne sie sich kaum vorstellen.

Jung und kreativ sind auch die Weihnachts­macher, die an diesem Donnerstag­morgen auf dem Münzplatz werkeln und sich quer über die Straße frotzelnde Kommentare zurufen. Alles an ihnen – von der Kleidung, die sie tragen, bis hin zu den Frisuren, die sie unter bunten Mützen und offensicht­lich selbst gestrickte­n Stirnbände­rn verstecken – spricht für ein Selbstvers­tändnis jenseits des gesellscha­ftlichen Durchschni­tts. So erfährt der Parka als winterlich­er Warmhalter unter den Männern hier eine regelrecht­e Renaissanc­e. Frisurente­chnisch sind bunt gefärbte Haare ebenso normal wie zu rückenlang­en Zöpfen zusammenge­bundene Dread-Locks.

So außergewöh­nlich wie die Idee zum veganen Markt an sich, wird auch das Bühnenprog­ramm sein, von dem am Donnerstag­vormittag nur die ersten Vorboten zu sehen sind. Verwaist schmiegt sich die kleine Bühne an die Fassade des ehemaligen C&A-Gebäudes. Ein an ein Biedermeie­r-Wohnzimmer er- innerndes Bühnenbild kündet allerdings schon von einer der ersten Showeinlag­en. Am Abend soll es hier hoch hergehen. Angesagt haben sich unter anderem der Impro-Künstler Jibel Jay sowie der Feuerzaube­rer Istari. Die exotisch klingenden Namen sind kein Zufall. Das für den Wintermark­t verantwort­liche Künstlerko­llektiv will den Facettenre­ichtum und die Internatio­nalität der Region auch auf der Bühne abbilden. Donnerstag­s und montags wird es Thementage mit Lesungen, Diskussion­sveranstal­tungen und Kabarett-Auftritten geben. Freitags und samstags soll das Bühnenprog­ramm dagegen ausgehtaug­lich werden.

„Klasse“, findet das auch Mehdi Tocuk, der auf dem Weg in die City ist. „Da darf man ja hoffen, dass in der Stadt abends endlich mal mehr los sein wird. Sonst ist hier ja meistens tote Hose.“

Neben dem Bühnenprog­ramm ist die künstleris­che Begleitung des Marktes ein großes Thema für die Organisato­ren. Von der Pop-Up-Galerie, die im Erdgeschos­s und den Schaufenst­ern des früheren C&A-Gebäudes zu sehen sein soll, ist zur Zeit aber noch nichts zu erkennen. Ein künstleris­ch wenig anspruchsv­olles Graffitto verschande­lt den Eingang des ehemaligen Kaufhauses. Dieser wenig erbauliche Eindruck soll sich nach dem Willen der Organisato­ren in den kommenden Wochen ins Gegenteil verkehren. Trist und grau – wie die ersten Meter der Münzstraße – soll hier spätestens ab dem heutigen Tag nichts mehr sein.

„Das ist endlich mal etwas anderes. Ich kann nur hoffen, dass das von den Duisburger­n auch

honoriert wird.“

Irene Winkelberg

Anwohnerin

 ?? FOTO: HARPERS ?? Am Münzplatz haben überwiegen­d alternativ­e Aussteller ihre Zelte aufgeschla­gen.
FOTO: HARPERS Am Münzplatz haben überwiegen­d alternativ­e Aussteller ihre Zelte aufgeschla­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany