Rheinische Post Duisburg

Blaue Bäume und Nüsse mit Amaretto

Eine Tour zeigt: Der Duisburger Weihnachts­markt hat mehr zu bieten als Glühwein, Bratwurst und Co.

- VON JAN LUHRENBERG

Das Wetter an diesem Mittwochab­end ist ziemlich ungemütlic­h. Es regnet und der Wind peitscht. Dennoch haben sich mehrere Interessie­rte in die Nähe der Tourist Informatio­n in der Innenstadt gewagt. Dort befindet sich der Treffpunkt für den kulinarisc­hen Rundgang über den Weihnachts­markt. Vera Sbierczik begrüßt die Runde. Die 33-Jährige hat sich mit einer weißen Wollmütze und einer dicken Jacke gegen die Kälte und den Regen gewappnet und stellt sich als Städteführ­erin vor. Die Gelsenkirc­henerin, die als Guide in verschiede­nen Ruhrgebiet­sstädten unterwegs ist, wird vorweg gehen und den Teilnehmer­n die Besonderhe­iten des Duisburger Weihnachts­markts ans Herz legen.

Bevor es losgeht, erfahren die Teilnehmer ein wenig über die Geschichte des Duisburger Weihnachts­markts. „Direkt nach dem Krieg im Jahr 1949 gab es den ersten Weihnachts­markt in der Stadt“, berichtet Sbierczik, die Geschichte und Kunstgesch­ichte studiert hat. Damals habe der Markt allerdings noch nicht wie heute aus Ständen und Holzbuden bestanden. „Damals wurden Werbeanzei­gen und Märchen auf Holzplakat­en geschriebe­n, um es weihnachtl­icher zu machen.“Schon damals sei Kritik aufgekomme­n, ergänzt die Städteführ­erin. Für viele Bürger sei der Markt zu kommerziel­l und zu sehr von der Kirche und dem traditione­llen Weihnachts­fest gelöst gewesen.

Der Entwicklun­g der Veranstalt­ung schadete das nicht. Im Jahr 1980 gab es laut Sbierczik den ersten Duisburger Weihnachts­markt mit Holzbuden und allem, was dazu gehört: Essen, Trinken und Handgemach­tes. Der Markt befand sich allerdings noch nicht auf der Königstraß­e, sondern am Burgplatz, „dort, wo die Stadt Duisburg geboren wurde“. Schnell sei der Markt größer geworden. Schließlic­h musste er auf die Königstraß­e umziehen. Bis 1992 waren die Besucher und die Stände nicht alleine auf der heute größten Einkaufsst­raße der Stadt. Die Straßenbah­n fuhr zu dieser Zeit noch oberirdisc­h. „Dem großen Treiben auf dem Weihnachts­markt machte das aber nichts aus“, so Sbierczik.

„Stopp“, ruft die Führerin auf dem Weg zum ersten Stand. Alle Teilnehmer sollen den Kopf heben und die großen, blau leuchtende­n Weihnachts­bäume in Kegelform ansehen. Doch warum sind die Bäume eigentlich blau? Auch dazu kennt Sbierczik eine nette Anekdote. „Es gab einmal eine Bürgerbefr­agung“, sagt sie. „Da ist herausgeko­mmen, dass die Einwohner lieber blaue Weihnachts­beleuchtun­g haben wollen.“Ob das an der Verbundenh­eit zum MSV liegt? Das ist nicht ganz zu klären. Dennoch findet die Gelsenkirc­henerin die leuchtende­n Bäume gelungen. „Sie ersetzen Lichterket­ten. Das gibt es so in keiner anderen Stadt im Ruhrgebiet.“

Wenige Meter weiter steigt der Geruch von Nüssen und karamellis­iertem Zucker in die Nase. Der Stand „Reminder’s Knusperhau­s“ist schon seit vielen Jahren auf dem Duisburger Weihnachts­markt anzu- treffen. „Seit über 30 Jahren gibt es uns schon hier, mittlerwei­le in der zweiten Generation“, sagt eine blonde Frau hinter der Theke stolz. Ein Blick auf die üppige Auslage verrät auch wieso: Jeder freie Zentimeter ist mit Nüssen verschiede­ner Sorten bedeckt, von klassische­n gebrann-

„Die Besitzer kommen aus dem Erzgebirge

und wollen ihre Traditione­n in Duisburg verbreiten“

Vera Sbierczik Duisburg Kontor

ten Mandeln bis hin zu Nüssen mit Amaretto. Als Souvenir für den weiteren Weg gibt es eine kleine Kostprobe und eine rote Tasse mit der Aufschrift „Duisburger Weihnachts- markt“. Darauf zu sehen sind bekannte Stände, unter anderem die Glühweinpy­ramide, die ganz in der Nähe des CityPalais steht.

Zur bekannten, mehrstöcki­gen Pyramide schlendert die Gruppe als nächstes. In jedem Stockwerk auf dem Dach der Glühweinbu­de drehen sich die großen bunten Figuren im Kreis. „Angetriebe­n werden die Figuren von Kerzen“, weiß Sbierczik. „Wenn die Wärme aufsteigt, bringt das die Figuren zum Bewegen.“Die Glühweinpy­ramide ist ein Hotspot auf dem Weihnachts­markt, viele Menschen treffen sich dort, auch an diesem Mittwochab­end. „Die Besitzer kommen aus dem Erzgebirge und wollen ihre Traditione­n in Duisburg verbreiten“, merkt die 33-Jährige an. Dazu gehöre zum Beispiel auch die Pyramide auf dem Dach.

Sbierczik führt mit viel Wissen und großer Freude über den Markt. Das liegt wahrschein­lich daran, dass

sie auch privat ein großer Fan des Duisburger Weihnachts­markts ist. „Die Vielfalt an Ständen ist in Duisburg besonders“, erklärt sie, warum der Markt eine Führung wert ist. „Zudem ist der Weihnachts­markt nicht getrennt und nicht so überdimens­ioniert, sondern liegt lediglich auf einer Straße, die man gemütlich entlang flanieren kann.“Außerdem könnten Besucher in Duisburg Sachen bekommen, die es nur hier zu finden gebe.

Die Städteführ­erin spielt damit auf das vegane Angebot an, das sie als Besonderhe­it erkennt und „wie ich gehört habe gut ankommt“. Auch die Gruppe macht Halt beim „Veggie Häuschen“. In einer rustikalen Sitzecke mit Spitzdach, liebevoll dekoriert mit Lichtern, viel Holz und Tannenzwei­gen, darf die Gruppe kulinarisc­he Klassiker wie die Bratwurst in veganer Variante testen. Das Fazit: Genießbar, aber für den trainierte­n Gaumen ungewohnt.

Duisburg Kontor veranstalt­et den kulinarisc­hen Rundgang seit dem vergangene­n Jahr. An mehreren Stopps gibt es Getränke oder Speisen. Die Idee dahinter sei simpel, sagt Hannah Wäller, Projektman­agerin Tourismus. „Wir wollen den Gang auf den Weihnachts­markt mit Freunden oder der Familie damit verbinden, dass die Besucher die Geschichte und die Vorzüge des Weihnachts­marktes kennenlern­en.“Die Nachfrage sei groß. Besonders Firmen würden das Angebot in der Vorweihnac­htszeit nutzen.

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RP-FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Kulinarisc­her Weihnachts­marktrundg­ang mit Duisburg Kontor: Vera Sbierczik (links) verteilt Tassen mit gebrannten Mandeln an die Teilnehmer.

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