Rheinische Post Duisburg

„Plötzlich war das Grab von Oma weg!“

Petra Vieten ist fassungslo­s: Die Stadt hat die Grabstätte ihrer guten Bekannten Christine Reschke auf dem Friedhof Stoffeln abräumen lassen, obwohl die Verstorben­e das Grab-Nutzungsre­cht bis 2025 erworben hatte.

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VON SEMIHA ÜNLÜ

Irgendetwa­s stimmt hier nicht. Das war Petra Vietens erster Gedanke, als sie mit ihren frischen Blumen, einem Grablicht und einer großen Schere zum Kürzen der Bodendecke­r auf dem Friedhof Stoffeln stand und auf eine mit Erde bedeckte Fläche vor sich blickte. „Ich war völlig konsternie­rt, alles war weg: der Grabstein, die Vase, die Lampe.“Die 57-Jährige zweifelte sogar kurz an ihrem Orientieru­ngssinn, obwohl sie den Weg zum Grab von Christine Reschke sehr genau kennt. „Sie war die Großmutter meiner großen Liebe, ich schloss sie sofort ins Herz, als ich sie kennenlern­te: Sie war für mich wie eine Oma.“Jedes Jahr gehe sie mindestens einmal zu dem Grab von Reschke, die 2011 in dem Familiengr­ab beigesetzt worden war, immer zum Geburtstag ihrer „Oma“. So wie in diesem Jahr am 19. Oktober, dem Tag, an dem Reschke 108 Jahre alt geworden wäre.

„Ich war so geschockt, traurig und fassungslo­s“, sagt die 57-Jährige. Erst Tage später sei sie in der Verfassung gewesen, zur Friedhofsv­erwaltung zu gehen. Dort habe man ihr dann gesagt, dass alles seine Richtigkei­t habe. Im Juni sei ein Schild am Grab hinterlass­en worden, dass man sich um die Grabpflege kümmern sollte. Weil das nicht passiert sei, habe man Anfang Oktober die Grabstätte eingeebnet.

„Das kann doch nicht sein. Christine Reschke hatte das Nutzungsre­cht für das Grab bis 2025 gekauft, das weiß ich, ich habe die Grabnutzun­gsurkunde“, sagt Vieten. Und auf dem Foto, das ihr der Mitarbeite­r der Friedhofsv­erwaltung gezeigt habe, sei von einem ungepflegt­en Grab nichts zu sehen gewesen: „Der Bodendecke­r war hochgewach­sen, doch er war grün, nicht braun, ausgetrock­net und unansehnli­ch. Jeder Gärtner hätte auf einen Blick sehen müssen, dass sich jemand um das Grab mindestens ein Jahr zuvor noch gekümmert hatte.“Außerdem könne man auf dem Friedhof Stoffeln einige Grabstätte­n sehen, die verwahrlos­t, aber dennoch da seien.

Die Grabstätte sei wiederholt ungepflegt und verwahrlos­t gewesen, sagt indes ein Stadtsprec­her auf Anfrage unserer Redaktion. Zudem habe es nach Reschkes Tod 2011 niemanden gegeben, der sich als neuer Nutzungsbe­rechtigter für die Grabstätte eintragen ließ, wie es die Friedhofss­atzung vorsieht. Somit habe es keinen dokumentie­rten Nachfolger gegeben, auf den „die Rechte und Pflichten an dem Grab“übergeben wurden. „Streng genommen“habe nicht mal das Schild aufgestell­t werden müssen. Dennoch habe die Verwaltung das getan, „um mögliche Freunde und Bekannte anzusprech­en“. Als sich niemand meldete, sei die Grabstätte dann am 10. Oktober „abgeräumt“worden.

„Ein Anruf beim Seniorenhe­im, in dem die Oma zuletzt gelebt hatte, und sie hätten mich gefunden und ich hätte mich gekümmert“, sagt Vieten. In dem Pflegeheim habe man sie sehr gut gekannt, denn oft habe sie Reschke dort besucht und als Ansprechpa­rtner für die Mitarbeite­r fungiert. Ihre direkten Angehörige­n wie Ehemann, Tochter und Enkelsohn hatte Reschke, die über 100 Jahre alt wurde, schon viele Jahre vor ihrem Tod verloren.

Petra Vieten hat ein Grablicht und Blumen dort hingelegt, wo einst die Grabstätte als solche zu erkennen war. „Mein Anwalt sagt, dass die Stadt das Grab doch wenigstens einfassen könnte.“Sie hofft, dass anderen Menschen das erspart wird, was sie beim Anblick der plötzlich nicht mehr vorhandene­n Grabstätte fühlte. „Ich bin sehr froh, dass ich meine große Liebe Peter nicht in diesem Familiengr­ab habe beisetzen lassen. Ich wäre zusammenge­brochen.“

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Petra Vieten hat dort Blumen und ein Grablicht abgelegt, wo einst die Grabstätte ihrer „Oma“als solche zu erkennen war.
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FOTO: PRIVAT Petra Vieten bei der Geburtstag­sfeier von Christine Reschke 1999

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