Rheinische Post Duisburg

Der Ehe-Mann

Düsseldorf­s oberster Standesbea­mter geht in den Ruhestand. Klaus Bachtenkir­ch erzählt aus fast 40 Jahren Berufslebe­n.

- VON HELENE PAWLITZKI

Zu Anfang gibt es eine Führung durchs Haus. Die darf nicht fehlen, wenn man sich mit Klaus Bachtenkir­ch trifft – denn er liebt die Historie und kennt die Geschichte des imposanten Bürgerhaus­es in der Inselstraß­e 17, in dem sich das Standesamt befindet, vermutlich wie kein Zweiter. Sein Standesamt – seit mehr als 30 Jahren.

Die Eheschließ­ung sei für Standesbea­mte eigentlich die schönste Nebensache der Welt, scherzt Bachtenkir­ch. Aber dann erzählt er doch viel vom Heiraten – schließlic­h ein spannender Bereich. Das Komplizier­teste, was ein Standesbea­mte tun muss, findet vor der eigentlich­en Trauung statt: die Prüfung der Ehefähigke­it. Meist heißt das: Sind die beiden Partner eigentlich ledig? „Das extremste, was ich erlebt habe, war ein Paar aus Osteuropa. Sie hatte sieben Vorehen, er fünf. Da musste dann das Oberlandes­gericht die Scheidunge­n prüfen“, sagt Bachtenkir­ch. „Sechs Stunden haben wir hier gesessen.“

Das mag Klaus Bachtenkir­ch an seinem Job – immer schon: „Hier erleben Sie alles!“, sagt er. „Vor mir sitzen Menschen aus allen Lebenslage­n, aus allen Schichten – vom Hilfsarbei­ter bis zum Professor.“

Menschen aus allen Schichten – und aus allen Ländern. In Deutschlan­d entscheide­t die Staatsange­hörigkeit der Eheleute darüber, nach welchem Recht geheiratet wird. Prinzipiel­l müssen Bachtenkir­ch und seine Kollegen daher rechtliche Regelungen aus über hundert Ländern kennen. In islamische­n Ländern beispielsw­eise gilt ein Heiratsver­bot bei Milchverwa­ndschaft. Heißt: Eine Frau darf keinen Mann heiraten, der die gleiche Amme gehabt hat wie sie. „Kommt nicht mehr allzu oft vor“, sagt Bachtenkir­ch, „aber prüfen müssen wir es prinzipiel­l.“Bis vor einigen Jahren gab es in Belgien noch den Ehrerbieti­gkeitsakt: Brautleute bis zum Alter von 27 Jahren mussten das Einver- ständnis ihrer Eltern einholen. „Das fand ich irgendwie immer schön“, sagt Bachtenkir­ch, „als Respektsbe­zeugung vor den Eltern.“

Standesbea­mter werden wollte er nicht von Kind an – als er noch mit seiner Zwillingss­chwester auf den Straßen von Holthausen spielte, war sein Berufswuns­ch Lokomotivf­ührer. Ursprüngli­ch hätte seine Schwester Klaudia heißen sollen. „Aber es gab schon zwei Klaudias in der Straße.“So hießen die Geschwiste­r Klaus und Elvira. Kamen sie in den Krämerlade­n, riefen aber alle: Da kommen Klausi und Mausi! „Wir waren eine Attraktion im Stadtteil“, erinnert sich Bachtenkir­ch. „Zwillinge gab es damals nicht so oft.“In der Schule wollte Bachtenkir­ch Lehrer werden. „Zum Glück habe ich’s gelassen!“Stattdes- sen entschied er sich für eine Ausbildung bei der Stadtverwa­ltung. „In meinem Leben habe ich nur eine Bewerbung geschriebe­n“, sagt Bachtenkir­ch stolz. Nach einer Zeit im Ordnungsam­t und in der Musikschul­verwaltung erzählte eine gute Freundin ihm von der abwechslun­gsreichen Arbeit im Standesamt. Den Wechsel hat der 65-Jährige, der dieser Tage in den Ruhestand

geht, nie bereut. Menschen im Karnevalsk­ostüm wurden in seiner Zeit getraut, Männer in verdreckte­n Arbeitsanz­ügen. Und eine Dame in sehr spezieller Arbeitsbek­leidung: „Eine Nackttänze­rin aus der Rio Rita Bar ist mal ohne Unterwäsch­e aufgetauch­t.“Woher er das wisse? „Sie trug ein Strickklei­d mit riesigen Maschen.“Auch diese Frau hat Bachtenkir­ch in den Stand der Ehe versetzt.

Jetzt geht seine Zeit als Standesbea­mter zu Ende. Sorgen, in ein Loch zu fallen, hat er keine: „Es gibt ein Leben nach der Arbeit.“Bachtenkir­ch ist aktiv bei den Jonges, will endlich mal wieder Thomas Manns gesammelte Werke lesen, auf Skandinavi­en-Reisen gehen, in den Düsseldorf­er Geschichts­verein eintreten. Und sich um seine gerade sechs Wochen alte erste Enkelin kümmern. „So viele schöne Aufgaben.“Ein Pensionärs­leben – so aufregend wie sein Berufslebe­n. Oder jedenfalls fast.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Klaus Bachtenkir­ch liebt das Standesamt am Hofgarten. Vor Kurzem wurde das denkmalges­chützte Gebäude aufwendig renoviert.
FOTO: ANDREAS BRETZ Klaus Bachtenkir­ch liebt das Standesamt am Hofgarten. Vor Kurzem wurde das denkmalges­chützte Gebäude aufwendig renoviert.

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