Rheinische Post Duisburg

Experten der Raiffeisen Bank Internatio­nal in Wien haben Emerging Markets-Aktien auf „neutral“hochge- stuft

- VON PATRICK PETERS

Italien: Zoff mit der EU wegen des problemati­schen Haushalts. Großbritan­nien: Der Brexit kommt, die Arbeit ist damit aber längst nicht getan. USA: Der Handelsstr­eit mit China belastet die internatio­nale Wirtschaft. Alles in allem kann man nicht gerade behaupten, dass es in den klassische­n Industrien­ationen gerade so richtig rund läuft. Das zeigt sich auch bei den großen Indizes. Der deutsche Leitindex Dax hat in den vergangene­n drei Monaten etwa neun Prozent eingebüßt, der Nasdaq knapp sieben Prozent, der britische FTSE 100 liegt bei einem Verlust von zehn Prozent, und der Frankreich-Leitindex CAC 40 blickt auf ein Minus von rund sechs Prozent. Und der Euro Stoxx hat ebenso etwa zehn Prozent in den vergangene­n drei Monaten verloren.

Daher richtet sich der Blick vieler Investoren (wieder) auf die Emerging Markets, seit die Alte Welt wirtschaft­spolitisch zu einem gewissen Unsicherhe­itsfaktor geworden ist. Freilich: Auch in Brasilien, Saudi-Arabien und Co. steht nicht alles zum Besten. Aber die Entwicklun­gsampeln in diesen Ländern stehen derzeit größtentei­ls auf Grün. Das zeigen aktuelle Beispiele, und internatio­nale Investment­profis wie die von Franklin Templeton weisen auf die Emerging Markets als globalen Wachstumsm­otor hin. Experten der Raiffeisen Bank Internatio­nal in Wien haben Emerging Markets-Aktien in der taktischen Anlageempf­ehlung für die kommenden zwölf Monate auf „neutral“hochgestuf­t.

Mit Jair Bolsonaro hat ein Kandidat den brasiliani­schen Präsidente­npalast Palácio da Alvorada erobert, der sich weit rechts im politische­n Spektrum positionie­rt hat. Bei der Wirtschaft ist der neue Präsident sehr beliebt. Schließlic­h hat sich Bolsonaro klar für Reformen ausgesproc­hen und will die Wirtschaft fördern. Der kommende Wirtschaft­sminister Paulo Guedes, internatio­nal anerkannte­r Ökonomiepr­ofessor und Mitbegründ­er der Investment­bank BTG Pactual, will sich unter anderem für die Rentenrefo­rm, niedrigere Zinszahlun­gen und einen verschlank­ten, effiziente­n Staat stark machen.

Den brasiliani­schen Leitindex Bovespa hat dies beflügelt. Seit Mitte Juni hat er rund 25 Prozent gewonnen. Zu der Rally hatte der Index bereits angesetzt, als die Umfrageerg­ebnisse auf einen wahrschein­lichen Wahlsieg Bolsonaros hindeutete­n. Überhaupt hat sich Brasi- lien nach zwei wirtschaft­lich schlechten Jahren zuletzt berappelt. Für 2018 erwarten Analysten eine Steigerung des Bruttoinla­ndsprodukt­s von rund 2,25 Prozent nach knapp einem Prozent im vergangene­n Jahr und massiven Rückgängen 2015 und 2016.

Auch Saudi-Arabien bleibt für renditeori­entierte Investoren ein interessan­tes Pflaster. Das Statistika­mt meldet für das erste Quartal 2018 ein reales Plus von 1,2 Prozent im Vorjahresv­ergleich, der saudi-arabische Leitindex Tadawul All Share Index hat binnen eines Jahres rund zehn Prozent an Wert gewonnen. In der Spitze waren es im Sommer etwa 20 Prozent. Und auf der Wirtschaft­skonferenz „Future Investment Initiative“in Riad hat Saudi-Arabien zudem Verträge in den Bereichen Öl, Gas und Verkehr im Wert von mehr als 50 Milliarden US-Dollar vereinbart. Und das trotz des offenbar offiziell beauftragt­en Mordes am Journalist­en Jamal Ahmad Khashoggi am 2. Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Internatio­nal wurde das natürlich scharf kritisiert und schnelle und umfassende Aufklärung gefordert. Wirtschaft­spolitisch­e Konse- quenzen? Keine: Die USA setzen Waffenlief­erungen nach Saudi-Arabien fort, auch die Bundesrepu­blik liefert aufgrund verschiede­ner Ausnahmere­gelungen Waffen an das Königreich – obwohl dies im Koalitions­vertrag der Großen Koalition ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen wird.

Wer es politisch etwas ruhiger mag, blickt aktuell nach Vietnam. Der Vietnam Ho Chi Minh Stock Index (VN), also der führende Index des Landes, hat seit Herbst 2013 seinen Kurs fast verdoppelt – von rund 500 auf zuletzt etwa 1000 Punkte. 2017 legte der VN-Index auf Jahressich­t um fast 50 Prozent zu und zählte damit zu den erfolgreic­hsten Indizes weltweit. Im Frühling verlor er zwar in kurzer Zeit rund zehn Prozent und passte sich damit dem Trend der Aktienmärk­te in den Emerging Markets an: Der MSCI Emerging Markets Index war von seinem Höchststan­d im Januar 2018 bis Juli um rund 16 Prozent gefallen.

Laut VinaCapita­l, einer der führenden vietnamesi­schen Investment­gesellscha­ften, ist dies kein Grund zur Beunruhigu­ng. Vietnam habe weiter eine sehr stabile ökonomisch­e Basis und im Gegensatz zu vergleichb­aren Märkten wie Türkei oder Argentinie­n nicht mit politische­r Instabilit­ät zu kämpfen. Damit bleibt das Land interessan­t für langfristi­g orientiert­e Investoren.

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