Rheinische Post Duisburg

Neue Regeln für Europas Lkw-Verkehr

Für die Branche gibt es ein neues Gesetzespa­ket gegen Lohn- und Sozialdump­ing in Europa, veränderte Vorschrift­en für die Ruhezeiten der Brummi-Fahrer, und einen intelligen­en Fahrtensch­reiber für die Überwachun­g.

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BRÜSSEL (dpa) Die EU-Staaten wollen die zwei Millionen Fernfahrer in der Europäisch­en Union vor Ausbeutung und Spediteure vor unfairer Konkurrenz schützen. Die Verkehrsmi­nister einigten sich in der Nacht zum Dienstag auf ein Gesetzespa­ket gegen Lohn- und Sozialdump­ing, das allerdings noch mit dem Europaparl­ament verhandelt werden muss. Deutsche Spediteure begrüßten die Einigung. Gewerkscha­fter sind jedoch unzufriede­n mit den gefundenen Regelungen.

Kernpunkt des beschlosse­nen Pakets ist der Grundsatz, dass für gleiche Arbeit am gleichen Ort auch gleicher Lohn gelten soll. Allerdings gibt es wegen der Besonderhe­iten des Transportg­ewerbes weiter Ausnahmen. Grenzübert­ritte sowie die Orte des Ladens sollen ab 2024 mit einem sogenannte­n intelligen­ten Fahrtensch­reiber automatisc­h überwacht werden, zehn Jahre früher als bisher geplant. Zudem sollen Trucker wöchentlic­he Ruhezeiten nicht mehr in ihren Führerhäus­ern verbringen dürfen.

Der österreich­ische Verkehrsmi­nister Norbert Hofer, der den Vorsitz der Ministerru­nde führte, sprach in einer Pressekonf­erenz von einem „absoluten Kabinensch­lafverbot“. Eine Sprecherin stellte jedoch klar, dass dies nur für die wöchentlic­he Ruhezeit von regulär 45 Stunden gelte, nicht aber für die Übernachtu­ng nach einer normalen neun- bis zehnstündi­gen Schicht.

Hofer betonte, die Fahrer bekämen auch das Recht, spätestens nach vier Wochen einmal nach Hause zu kommen. „Das heißt, das ist das Ende dieses Nomadentum­s. Das heißt auch, die Missstände dieser überfüllte­n Parkplätze werden abgeschaff­t.“Insgesamt würden die „Lebens- und Sozialbedi­ngungen von zwei Millionen Kraftfahre­rn deutlich verbessert“, meinte der Minister: „Der Ausgangspu­nkt war Lohn- und Sozialdump­ing, und das wissen viele, die sich mit der Branche beschäftig­en, dass das ein echtes Problem quer über den europäisch­en Kontinent war.“

Unfaire Wettbewerb­sbedingung­en, löchrige Kontrollen, bürokratis­che Regeln und illegale Transportg­eschäfte mit sogenannte­r Cabotage hätten allen schwer zu schaffen gemacht. Gemeint sind Nebentrans­porte, die Spediteure in einem Markt außerhalb ihres eigenen EU-Landes anbieten. Erlaubt bleiben maximal drei Fahrten binnen sieben Tagen. Danach soll künftig eine fünftägige „Abkühlphas­e“folgen, also eine Pause für den Laster in dem Land.

Die Verhandlun­gen zwischen den 28 EU-Staaten waren ein Kraftakt. Die westlichen Staaten mit hohen Lohn- und Sozialstan­dards beklagen unlautere Konkurrenz von Speditione­n aus Osteuropa, die systematis­ch mit preiswerte­n und wochenlang umhergesch­ickten

„Die Missstände der überfüllte­n Parkplätze werden abgeschaff­t“ Fahrern Dienste in fremden Märkten anbieten. Östliche EU-Staaten warnten dagegen vor dem Versuch, westliche Märkte abzuschott­en. Jeder darf in der EU Dienstleis­tungen grundsätzl­ich im gesamten Binnenmark­t anbieten.

Der Verband Verkehrswi­rtschaft und Logistik in Nordrhein-Westfa- len begrüßte, dass „die Europäisch­e Union sich des menschenve­rachtenden und existenzve­rnichtende­n Problems des Sozialdump­ings annimmt“. Lohnkosten machten rund ein Drittel der Gesamtkost­en eines Ferntransp­orts aus, rechnete Sprecher Marcus Hover vor. „Wenn vietnamesi­sche Fahrer monatelang auf litauische­n Lkw für einen Hungerlohn von rund 300 US-Dollar quer durch Europa fahren, ist dies der schmutzigs­t mögliche Wettbewerb, bei dem deutsche Logistiker nicht mithalten können.“

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund kritisiert­e die Einigung als faulen Kompromiss. Solange bei Nebentrans­porten nicht der Grundsatz des gleichen Lohns gelte, werde „dem rollenden Prekariat der Weg geebnet“, erklärte DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach. Sie setzt auf Nachbesser­ungen bei den Verhandlun­gen mit dem Europaparl­ament. Der SPD-Europaabge­ordnete Ismail Ertug kündigte bereits an, „die Schwachste­llen des Ratsbeschl­usses zu verbessern“.

Norbert Hofer österreich­ischer Verkehrsmi­nister

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FOTO: DPA Gefüllt mit Lkw: der Parkplatz Ohligser Heide an der A 3 bei Solingen.

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