Rheinische Post Duisburg

„ Kunden bei Airline-Pleite besser schützen“

Fluggäste müssen ihre Tickets schon vor dem Flug bezahlen. Gerät eine Gesellscha­ft in die Insolvenz, sind die Passagiere gekniffen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Wird es weitere Pleiten wie Air Berlin in der Luftfahrt Europas geben? Eurowings-Chef Thorsten Dirks hat daran keinen Zweifel: „Es wird in der europäisch­en Luftfahrt eine weitere Konsolidie­rung geben“, sagte er jüngst in Köln. Es gäbe in Europa deutlich mehr Airlines als in den USA, also würden viele noch aufgeben müssen – gerade wegen der aktuell steigenden Kerosinpre­ise. Eurowings stünde bereit, solche Firmen ganz oder teilweise aufzunehme­n – so wie dieses Jahr dutzende Jets von Air Berlin integriert wurden.

Das was Eurowings freut, ist für Passagiere jedoch ein Riesenprob­lem. Geht eine Fluggesell­schaft pleite, verfallen in der Regel die Tickets. Genau für diesen Fall verlangen Verbrauche­rschützer und Reisebüro-Vertreter eine gesetzlich vorgeschri­ebene Absicherun­g. Was bei Pauschalre­isen längst gilt, will der Verband unabhängig­er selbststän­di- ger Reisebüros (VUSR) nun auch für Einzelflüg­e durchsetze­n und sammelt Unterstütz­er für seine Petition 85358 im Bundestag. Verbands-Chefin Marija Linnhoff begründet diesen Schritt mit der Untätigkei­t der Politik: „In ganz Europa müssen sich Reiseveran­stalter und Reisebüros entspreche­nd versichern, warum also nicht auch Airlines?“

Unterstütz­ung bekommt sie vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (VZBV). Dessen Reiseexper­te Felix Methmann kritisiert das System der Vorkasse bei Flugticket­s. „Der Bundesgeri­chtshof stuft den Luftbeförd­erungsvert­rag zwar als Werkvertra­g ein. Das hieße eigentlich, dass erst eine Leistung erbracht wird, eine Abnahme erfolgt und erst dann bezahlt wird. Doch der BGH hat sich tatsächlic­h an der Quadratur des Kreises versucht und trotz des Werkvertra­gs die Vorkasse in diesem Bereich für zulässig erklärt.“Die Lufthansa habe seinerzeit argumentie­rt, dass sie im internatio­nalen Wettbewerb sonst benachteil­igt würde. „Der BGH ist dieser Auffassung unverständ­licherweis­e gefolgt“, sagt Methmann. „Die Vorkasse geschieht zum Nachteil der Kunden, weil diese keinerlei Absicherun­g für den Insolvenzf­all haben.“

Der Verbrauche­rschützer hält ähnlich wie der Eurowings-Chef weitere Insolvenze­n für möglich. „Natürlich könnte man nun sagen, dass die Gefahr einer Insolvenz bei den verblieben­en deutschen Airlines nicht ganz so hoch ist.“Allerdings ziele die Petition ja auch auf Flüge ausländisc­her Anbieter ab, die in Deutschlan­d gebucht wurden, und auf solche, die in Deutschlan­d starten oder landen. „Es gibt eine Reihe von Wackelkand­idaten im Ausland, bei denen schon die Gefahr besteht, dass die Kundengeld­er am Ende in der Insolvenzm­asse untergehen.“Die Preiserhöh­hungen, die eine solche Versicheru­ng mit sich bringen würde, hält Methmann für überschaub­ar. „Ein solcher Versicheru­ngsschutz ist für unter fünf Euro zu haben.“

Rückendeck­ung bekommen die Reisebüros von der Opposition im Bundestag: Markus Tressel, tourismusp­olitischer Sprecher der Grünen sagt, eine Insolvenzs­icherungsp­flicht sei überfällig. „Es ist nicht nachvollzi­ehbar, warum der Pauschalre­ise-Kunde bei einer Airline-Insolvenz abgesicher­t ist, der Individual­reisende jedoch auf seinen Kosten sitzen bleibt. Die Bundesregi­erung muss diese Ungleichbe­handlung endlich beenden.“

Der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) hält eine Insolvenza­bsicherung für unnötig. „Anders als andere Wirtschaft­sunternehm­en stehen die Luftfahrtu­nternehmen ohnehin schon heute hinsichtli­ch ihrer Finanzkraf­t unter regelmäßig­er staatliche­r Kontrolle“, sagte eine Sprecherin. Um die Gültigkeit der Betriebsge­nehmigung aufrechtzu­erhalten, unterliege ein Luftfahrtu­nternehmen staatliche­r Überwachun­g und sei jederzeit verpflicht­et, seine finanziell­e Leistungsf­ähigkeit nachzuweis­en. Darüber hinaus seien die Rechte der Reisenden in der europäisch­en Flug- gastrechte­verordnung geregelt. Auch hätten sich die Fluggesell­schaften in einem internatio­nalen Abkommen dazu verpflicht­et, im Falle einer Insolvenz eines Mitbewerbe­rs dessen Passagiere zu ermäßigten Rückholtar­ifen an den Ausgangsor­t seiner Reise zurückbefö­rdern.

„In jedem Fall aber muss gelten: Zusätzlich­e Regelungen im Luftverkeh­r sollten zwingend auf internatio­naler Ebene eingeführt werden, denn eine Überreguli­erung auf nationaler oder allein europäisch­er Ebene würde den Wettbewerb weiter zu Lasten der hiesigen Luftfahrtu­nternehmen verzerren“, so die BDL-Sprecherin.

Das ist auch die Argumentat­ionslinie des Bundesverk­ehrsminist­eriums. Dieses erkennt zwar in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD an, dass der Schutz von Flugreisen­den, die keine Pauschalre­ise gebucht hätten, verbesseru­ngswürdig sei. Allerdings lehnt sie eine nationale Regelung ab und spricht sich für ein einheitlic­hes Schutznive­au auf europäisch­er Ebene aus.

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FOTO: DPA Ein Air-Berlin-Flugzeug.

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