Rheinische Post Duisburg

Jugendamt ohne rechtliche Handhabe

Das Jugendamt habe im Fall des in Rumeln gefundenen toten Babys nach derzeitige­n Erkenntnis­sen keine rechtliche Handhabe gehabt. Gerhild Tobergte vom Kinderschu­tzbund fordert ein Umdenken beim Adoptionsr­echt.

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(R.K.) Der Fall der Babyleiche „Mia“und des toten Säuglings, der in der Wohnung einer 35-jährigen Mutter aus Rumeln gefunden wurde, bleibt Gesprächst­hema in der Stadt. Die Frau, die wegen Verdachts auf Totschlag verhaftet worden ist, wurde regelmäßig von Mitarbeite­rn des Jugendamte­s besucht. Wie kann es sein, dass die Frau durch das Netz der Hilfen gefallen ist? Hat das Jugendamt versagt? Fragen, die im Raum stehen.

Gerhild Tobergte, Vorsitzend­e des Duisburger Kinderschu­tzbundes, warnt vor einer „Vorverurte­ilung der Jugendhilf­e.“Man dürfe das Jugendamt „nicht zu unrecht“verantwort­lich machen. „Dazu ist es zu früh, sind noch zu wenig Hintergrün­de bekannt.“Auch wenn Mitarbeite­r der Jugendhilf­e den Verdacht hatten, dass die Mutter dreier Kinder erneut schwanger war, so hätten sie nichts machen können, da die Frau verneinte, schwanger zu sein. „In diesem Fall gab es keinerlei rechtliche Grundlage“, sagt Gerhild Tobergte.

Das individuel­le Recht der Frau stehe über dem des ungeborene­n Leben. Eine Zwangsunte­rsuchung wäre nun einmal nicht möglich gewesen. „Dies wäre ein Eingriff in das Grundrecht der Frau gewesen“, sagt Gerhild Tobergte. Die Frage sei, ab wann darf der Staat in die Privatsphä­re eingreifen? Und wie könnte eine rechtliche Grundlage aussehen?“

Darüber müssten die Gesellscha­ft und die Politik diskutiere­n. Aber bei der derzeitige­n Rechtslage konnte die Jugendhilf­e im Fall der Mutter aus Rumeln nach den derzeit bekannten Fakten nicht anders handeln, als sie es getan hat. „Der Staat kann erst dann eingreifen, wenn das Kind geboren ist“, erklärt Gerhild Tobergte.

In Duisburg habe der Kinderschu­tzbund bislang nur gute Erfahrunge­n mit den „Schwangers­chaftsbera­tungen“und den „Frühen Hilfen“gemacht. „Die funktionie­ren ausgesproc­hen gut und sich nachgehend“, erklärt Gerhild Tobgerte.

Heißt: Bei Bedarf werden weitere Unterstütz­ungen geleistet. Deshalb hat der Kinderschu­tzbund vor acht Jahren sein ergänzende­s Projekt „Klitzeklei­n und Kugelrund“, in dem junge Schwangere und Mütter betreut worden sind, eingestell­t. Dafür konzentrie­rt er sich nun auf Projekte, in denen Kinder im Grundschul­alter betreut werden.

Und dennoch: „Es werden leider immer wieder Frauen, junge Mutter und Kindern durch das Netz an Hilfen, das es gibt, fallen“, befürchtet Gerhild Tobergte. Umso wichtiger sei es, darüber nachzudenk­en, wo man als Gesellscha­ft noch ansetzen kann.

Die Babyklappe sei sicher ein Aspekt. Sie müsse stärker in den Vordergrun­d gestellt werden. Aber: „Wir sollten auch über unser Adoptionsr­echt diskutiere­n, gerade auch im Hinblick auf die Ehe für alle.“Die Hürden für eine Adoption in Deutschlan­d seien sehr hoch gelegt. Das fange bei der Altersgren­ze für Adoptivelt­ern an und höre bei den Bedingunge­n für gleichgesc­hlechtlich­e Paare, die ein Kind adoptieren möchten, auf. Dabei sei es doch das wichtigste, „dass die Kinder in Liebe und Fürsorge aufwachsen.“

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RP-FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Mit diesen Plakaten an den Altkleider­containern bat die Polizei um Mithilfe und Hinweise bei der Suche.
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FOTO: SCHIMMEL Gerhild Tobergte vom Kinderschu­tzbund.

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