Die Literatur hinter „Babylon Berlin“
Volker Kutscher las in der ausverkauften Zentralbibliothek aus „Marlow“.
Nicht jeder weiß, dass hinter der erfolgreichen Fernsehserie „Babylon Berlin“ein zeitgenössischer Roman-Zyklus steckt. Der Kölner Schriftsteller Volker Kutscher, Jahrgang 1962, landete 2002 mit seinem Edel-Krimi „Der nasse Fisch“(so heißen bei der Polizei die ungeklärten Fälle) seinen ersten Bestseller. Inzwischen sind sieben Romane dieser Reihe erschienen, in den es um den nicht ganz freiwil- lig von Köln nach Berlin versetzten Polizeikommissar Gereon Rath geht, vor allem aber um die Entwicklung in Deutschland von 1929 bis 1938, von der demokratischen Weimarer Republik zur nationalsozialistischen Diktatur. Nach dem sechsten Band „Lunapark“vor einem Jahr (die RP berichtete) las Kutscher nun in der ausverkauften Zentralbibliothek für den Verein für Literatur aus dem soeben erschienenen siebten Band „Marlow“. Der spielt im Spätsommer 1935 und es geht darin um Hermann Göring, der erpresst werden soll, aber auch um geheime Akten, Morphium, schmutzige Politik und das Lebenstrauma von Raths Frau Charly, den Tod ihres Vaters.
Und es geht um den Mann, mit dem der kritische Polizist nie wieder etwas zu tun haben wollte: den Unterweltkönig Johann Marlow, der seine Geschäfte inzwischen mit der SS macht.
Kutscher las daraus in Duisburg mehrere Passagen, die wieder einmal seine klare Sprachmacht und seinen Sinn für Atmosphäre zeigten. Ja, durch seine gründliche Recherche und seinen anschaulichen Stil ist ihm das eigentlich Unmögliche gelungen, nämlich den eigentümlichen Übergang jener Zeit an uns Nachgeborene zu vermitteln. Besonderes Schaudern erweckte eine Szene, in der Gereon Rath nach Nürnberg während eines Reichsparteitags gerät und unfreiwillig dem vorbeifahrenden Adolf Hitler ebenso wie die ihn umgebende Masse zujubelt, sogar jenen nach diesem benannten Gruß zeigt, den er sonst vermeidet und verschlampt.
Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärte Volker Kutscher, mit den Änderungen an seinen Romanen für die Fernsehfassungen insgesamt einverstanden zu sein. In knapp zwei Jahren soll der achte Band erscheinen, dann über das Olympiajahr 1936. Mit dem Pogromjahr 1938 soll später Schluss sein, denn der Zweite Weltkrieg ist dann schon ein anderes Thema.