Straßburger Attentäter auf der Flucht
Der Mann, der auf einem Weihnachtsmarkt mindestens zwei Menschen getötet hat, könnte sich auch in Deutschland auf halten. Politiker beklagen Defizite bei der Terrorabwehr in der EU.
STRASSBURG/BERLIN (qua/dpa) Nach dem Terroranschlag von Straßburg ist der mutmaßlich islamistische Attentäter auf der Flucht. Mit einem Großaufgebot von über 600 Beamten in und um die elsässische Metropole und an der nahe gelegenen Grenze zu Deutschland versuchte die Polizei den bei einem Schusswechsel verletzten Angreifer Chérif C. zu fassen.
Auch deutsche Sicherheitsbehörden suchten nach dem 29-jährigen Täter und fahndeten zudem nach dessen Bruder Sami. Die Bundespolizei kontrollierte mehrere Grenzübergänge nach Frankreich. Das Innenministerium in Paris schloss nicht aus, dass der Täter nach Deutschland geflüchtet sein könnte. Der polizeibekannte Gefährder Chérif C. hatte am Dienstagabend das Feuer beim Weihnachtsmarkt in der Straßburger Innenstadt eröffnet. Zwei Menschen wurden getötet, ein Opfer sei hirntot, zwölf Menschen wurden verletzt, sagte der Pariser Antiterror-Staatsanwalt Rémy Heitz am Mittwoch.
Der mehrfach vorbestrafte Angreifer soll sich im Gefängnis ra- dikalisiert haben. Der gebürtige Straßburger mit nordafrikanischen Wurzeln saß wegen schweren Diebstahls zeitweilig auch in Deutschland in Haft. Von Anfang 2016 bis Februar 2017 verbüßte er in Konstanz eine Freiheitsstrafe. Später wurde er in die Justizvollzugsanstalt Freiburg verlegt und im Februar 2017 nach Frankreich abgeschoben.
Zeugen hätten den Angreifer „Allahu Akbar“(Allah ist groß) rufen hören, sagte Heitz. Angesichts des Zielorts, seiner Vorgehensweise und der Zeugenaussagen habe die Antiterrorabteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.
Nach dem Anschlag nahmen Ermittler vier Menschen aus dem Umfeld des Tatverdächtigen Chérif C. in Gewahrsam. Die beiden französischen Staatsbürger mit nordafrikanischen Wurzeln wohnten nach Informationen aus Sicherheitskreisen zuletzt in Straßburg. Sie wurden in Frankreich als radikalisiert eingestuft und dem Straßburger Islamistenmilieu zugerechnet. In Deutschland tauchen die beiden Namen allerdings nicht in der Datei für islamistische Gefährder auf. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Registrierungsschwelle in Frankreich sei deutlich niedriger als für die Aufnahme in die deutsche Gefährderdatei.
Nur der Verfassungsschutz hat auf die entsprechende französische Datei Zugriff. Innenstaatssekretär Günther Krings (CDU) betonte aber: „Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass die deutschen Behörden etwas falsch gemacht haben.“Chérif C. war nach der Verbüßung seiner Haftstrafe aus Deutschland nach Frankreich abgeschoben und mit einer Wiedereinreisesperre belegt worden. Als zumindest merkwürdig bewerteten es aber die Abgeordneten im Innenausschuss des Bundestags, die am Mittwochmorgen informiert wurden, dass den deutschen Sicherheitsdiensten nicht bekannt war, dass Chérif C. auch als Gefährder gilt. „Der Fall zeigt, wie dringend wir ein arbeitsfähiges europäisches Terrorabwehrzentrum benötigen, in dem Polizei und Nachrichtendienste sich grenzüberschreitend zu Terrorgefährdern austauschen“, sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster unserer Redaktion.
Der mutmaßliche Attentäter wurde nach Medienberichten schon vor dem Attentat auch wegen eines versuchten Tötungsdeliktes gesucht. „Wäre der Täter trotz Einreiseverbots wieder in Deutschland aufgegriffen worden, dann wäre er wieder ins Gefängnis gewandert, um dann seine Reststrafe abzusitzen“, sagte Krings.
Stimme des Westens, NRW