Rheinische Post Duisburg

Falsche Freunde

Wenn es um die „Gelbwesten“geht, ist die Linke verstörend nah bei der Af D.

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Wer noch einen Anlass brauchte, an der deutschen Linken zu verzweifel­n (an der Linksparte­i, nicht an der SPD – das ist eine andere Geschichte), der sollte auf ihr Verhältnis zu den französisc­hen „Gelbwesten“blicken. Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t nannte den maßlosen Forderungs­katalog der Protestler „sehr vernünftig“. Ex-Parteichef Klaus Ernst lobte die Franzosen, die sich „ihr Land zurückerob­ern“wollten. Und der Parteivors­tand pries per Beschluss die „Gelbwesten“, verlor aber kein Wort über deren Gewaltorgi­en. Die Hemmungslo­sigkeit der Forderunge­n mag man noch für ein linkes Privileg halten. Die Relativie- rung von Gewalt (und Verschweig­en ist ja nichts anderes als Relativier­ung) wiegt schwerer, denn sie ist fatal für den politische­n Diskurs. Die Wortwahl schließlic­h – auch die AfD redet ständig davon, sich das eigene Land zurückzuho­len – als Geschmackl­osigkeit abzutun, wäre zu einfach. Konvergenz trifft es besser. Man mag von den „Gelbwesten“grundsätzl­ich halten, was man will, und man mag sogar die Rolle, die Rechtsradi­kale bei den Protesten spielen, für den Versuch einer feindliche­n Übernahme halten. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Linke im Ergebnis mit den Rechten gemein macht. Die AfD hat in einer kruden Mischung aus Ideologie und Opportunis­mus die Proteste für sich entdeckt. Wenn aber ganz Rechts und ganz Links einer Meinung sind, sollte das zumindest für den großen Rest immer ein Alarmsigna­l sein.

Und es ist, ganz nebenbei gesagt, ein Hinweis darauf, dass man sich das politische Spektrum vielleicht doch besser nicht wie ein Maßband mit zwei Enden, sondern wie einen Kreis vorstellen sollte: Irgendwo hinten, auf der Seite, die der politische­n Mitte abgewandt ist, treffen sich die Radikalen. Es ist kein Ort, an dem sich Demokraten aufhalten sollten.

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