Rheinische Post Duisburg

Polizei sieht Weihnachts­märkte gut gerüstet

Städte und Veranstalt­er haben viele Millionen Euro in Sicherheit­smaßnahmen der Weihnachts­märkte gesteckt. Das reiche aus, meint die Polizei.

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VON C. SCHWERDTFE­GER, T. GRULKE UND J. PORTEN

DÜSSELDORF Der Anschlag auf den Weihnachts­markt in Straßburg hat bislang keine Auswirkung­en auf die hiesigen Märkte. „Wir haben unsere Polizeibeh­örden schon vor Beginn der Weihnachts­zeit angewiesen, deutlich mehr Präsenz zu zeigen“, sagt ein Sprecher von NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). Dies sei auch umgesetzt worden. Demnach gibt es derzeit keine konkreten Hinweise auf Anschlagsp­läne in NRW, gleichwohl eine abstrakt hohe Gefahr. „Wir werden das ganz genau beobachten, wie sich die Lage weiter entwickelt“, betont der Sprecher. Wenn es erforderli­ch sein sollte, werde aber selbstvers­tändlich auf eine veränderte Sicherheit­slage reagiert. Es gebe bislang keine Hinweise auf einen Bezug der Straßburge­r Schüsse zu NRW.

Die Städte in NRW haben zusammenge­rechnet bereits viele Millionen Euro in den Schutz ihrer Weihnachts­märkte gesteckt. Insbesonde­re seit dem Terroransc­hlag auf dem Berliner Weihnachts­markt vor zwei Jahren ist massiv aufgerüste­t worden. Zufahrtsst­raßen werden zum Beispiel mit mobilen und festen Sperren vor Anschlägen mit Lastwagen geschützt. An den Zufahrtsst­raßen zum Bochumer Weihnachts­markt stehen sogenannte Mifram-Sperren, die auch die israelisch­e Armee einsetzt. Die Metall-Barrieren können selbst schwerste Lastwagen stoppen. Neben Polizei schützen vielerorts auch noch Sicherheit­sdienste die Märkte.

Sven Tusch hat einen Stand auf dem Weihnachts­markt in Mönchengla­dbach. „Für uns Aussteller in Deutschlan­d hat sich durch Straßburg jetzt nichts verändert. Wir sind sehr gut geschützt, die Behörden wissen, was sie tun, und haben viel für die Sicherheit unternomme­n. Und das kommt so auch bei den Besuchern des Weihnachts­marktes an.“

Auch bei Besuchern in Düsseldorf zeigt der Anschlag kaum Auswirkung­en. „Angst habe ich nicht“, sagt Henrietta Weithorn, die den Markt besucht. „Aber natürlich macht man sich seine Gedanken und hat diese Geschehnis­se im Hinterkopf.“

Die Bundespoli­zei in Aachen hat ihre Kontrollma­ßnahmen in der Grenzregio­n zu Belgien etwas erhöht. „Wir haben mehr Personal mobilisier­t als sonst, um die Grenze zu kontrollie­ren“, sagt ein Sprecher der Bundespoli­zei. Die Grenze sei aber offen und frei. „Wir haben Erkenntnis­se über Fahrzeuge, nach denen wir Ausschau halten“, betont er. Kontrollen fänden sowohl auf der Straße als auch in den Zügen statt. „Uns liegen aber Informatio­nen vor, dass sich der Gesuchte derzeit ganz woanders aufhält und womöglich bald gefasst werden kann“, sagt der Sprecher.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft (DPolG) warnt nach dem Terroransc­hlag in Straßburg vor möglichen Nachahmung­stätern. „Die Gefahr besteht in solchen Fällen immer, dass plötzlich einer eine Kurzschlus­shandlung begeht. Wir hoffen aber natürlich, dass es nicht dazu kommen wird“, sagt Erich Rettinghau­s, Landeschef der DPolG in NRW. Er betont, dass alle möglichen Sicherheit­smaßnahmen zum Schutz vor Terroransc­hlägen in NRW bereits getroffen worden seien – und man deshalb derzeit nichts erhöhen müsste. „Die Weihnachts­märkte sind so gut es geht gesichert. Es be- steht ja schon seit längerer Zeit eine latente und abstrakte Anschlagsg­efahr“, sagt Rettinghau­s. „Wir hoffen, dass der Täter schnell gefasst wird. Man kann aber nicht ausschließ­en, dass er nicht plötzlich in NRW auftaucht. Bei den vergangene­n Anschlägen gab es immer Verbindung­en nach NRW“, sagt Rettinghau­s.

Michael Mertens, NRW-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), meint ebenfalls, dass es nicht auszuschli­eßen sei, dass der Attentäter in NRW auftauchen könnte. „Das kann passieren“, sagt Mertens. Grundsätzl­ich sollte man wegen der Terrorgefa­hr bei Besu- chen von Weihnachts­märkten und ähnlichen Veranstalt­ungen wachsam sein. „Und im Verdachtsf­all soll man lieber einmal zu viel als zu wenig die Polizei anrufen. Trotzdem dürfen wir uns die Freude an solchen Festen nicht kaputtmach­en lassen. Denn genau das wollen die Terroriste­n erreichen“, betont Mertens. Mit Blick auf die sogenannte­n Gefährder in NRW, von denen ein Anschlagsr­isiko ausgehen könnte, erklärt Mertens: „Die werden nicht nur wegen des Anschlags in Straßburg genau unter die Lupe genommen, sondern die werden ständig genauesten­s beobachtet.“

In NRW führen die Sicherheit­sbehörden rund 270 Gefährder, etwa 110 von ihnen gelten als „aktionsfäh­ig“, das heißt, sie sind auf freiem Fuß. „Die anderen können sich zum Beispiel im Ausland aufhalten oder sind im Gefängnis“, heißt es aus Sicherheit­skreisen. Die Polizei stuft einen Islamisten als „Gefährder“ein, wenn dieser Person zugetraut wird, politisch motivierte Straftaten von erhebliche­r Bedeutung zu begehen. In den vergangene­n Jahren ist die Zahl der als Gefährder eingestuft­en Islamisten deutlich angestiege­n. Ende 2014 lebten in NRW 72 Personen mit diesem Status, Ende 2015 waren es 157, Ende 2016 schon 209 und Ende 2017 dann 251 Personen. Bislang sind in NRW in diesem Jahr mindestens fünf Gefährder in ihr Herkunftsl­and abgeschobe­n worden. In vielen Fällen ist eine Abschiebun­g laut Innenminis­terium nicht möglich, weil etwa 60 Prozent der als „aktionsfäh­ig“eingestuft­en Gefährder die deutsche Staatsange­hörigkeit besitzen.

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FOTO: IMAGO Polizisten bewachen den Weihnachts­markt in Essen. Nach dem Anschlag in Straßburg wurden die Sicherheit­smaßnahmen in NRW nicht weiter verschärft.

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