„CDU fehlt wirtschaftspolitisches Profil“
Der Präsident von Unternehmer NRW schreibt über nötige Veränderungen in der Partei.
Die CDU hat in den letzten Jahren zunehmend wirtschaftspolitisches Profil verloren. Viele Unternehmer machen sich Sorgen. Auch in der Union scheinen viele zu glauben, die deutsche Wirtschaft sei unverwundbar. Und so hat sie zuletzt allzu häufig das Verteilen vor das Erwirtschaften gestellt. Die dank der robusten Wirtschaft sprudelnden Staatseinnahmen wurden lieber für sozialpolitische Wohltaten ausgegeben anstatt für die Entlastung von Bürgern und Unternehmen. Die Proteste des parteiinternen Wirtschaftsflügels wurden mit Blick auf den Koalitionspartner leichtfertig in den Wind geschlagen. Noch schlimmer: Ein Diskurs über die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes schien unerwünscht.
Viele Unternehmer haben gehofft, dass mit dem Wettbewerb um den Parteivorsitz nun endlich eine tiefgreifende Debatte um die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands beginnt. Es wäre fatal, wenn die gerade durch die Kandidaturen von Friedrich Merz und Jens Spahn befeuerte Diskussion über den wirtschaftspolitischen Kurs der Partei jetzt abgebrochen würde. Denn wir brauchen dringend wieder ein neues Grundempfinden für die Bedeutung der Wirtschaft und der Industrie für die Zukunftschancen der Menschen in unserem Land.
Machen wir uns nichts vor: Andere Länder haben enorm aufgeholt, und Deutschland hat zuletzt spürbar an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Die Reformdividende der Agenda 2010 ist inzwischen völlig aufgebraucht. Gerade in dieser Situation fehlt der Partei ein erkennbarer Masterplan zur Sicherung von Wohlstand und Arbeitsplätzen. Der wäre jedoch nötiger denn je, denn die Herausforderungen von Globalisierung, Digitalisierung und demografischer Entwicklung sind immens.
Annegret Kramp-Karrenbauer hat jetzt die große Chance, dieses Vakuum zu füllen und diesen Masterplan mit ihrer Partei zu entwerfen. Ich traue ihr das zu und weiß, dass sie das kann. Dabei muss klar sein, dass das Erwirtschaften wieder deutlich vor dem Verteilen steht. Nicht mit weiteren sozialpolitischen Wohltaten oder ökologischen Prestigeprojekten, sondern mit einem klaren Schwerpunkt auf Investitionen und Innovationen werden wir unseren Spitzenplatz im weltweiten Standort-Wettbewerb sichern können. Weite Teile der Union müssen sich wieder neu bewusstwerden, dass zukünftige Erfolge beim Arbeitnehmer-, beim Verbraucher- oder beim Klimaschutz nur mit einer starken Wirtschaft zu erreichen sind.
„Das Erwirtschaftete muss wieder deutlich vor dem Verteilen ste
hen“
Arndt Kirchhoff Unternehmer NRW
Konkret heißt dies, dass sich die Partei nicht mehr damit zufriedengibt, wenigstens die Steuern nicht erhöht zu haben. Friedrich Merz hat völlig recht: Wir brauchen eine Agenda für die Fleißigen! Diejenigen, die mit ihrer Arbeit den Sozialstaat erst möglich machen, müssen gestärkt werden. Das ist nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der gesellschaftlichen Fairness. Ein langes vernachlässigtes Feld ist die Steuerpolitik: Annegret Kramp-Karrenbauer sollte sich hier für eine Entlastung der Bürger durch die schnellstmögliche Abschaffung des Solidaritätszuschlags stark machen. Außerdem erwarten viele Unternehmer spätestens im nächstenWahlprogramm der Union ein Konzept für eine grundlegende, auf den internationalen Standort-Wettbewerb ausgerichtete Steuerreform.
Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihre Wahl zur neuen Vorsitzenden maßgeblich dem Sozialflügel der CDU zu verdanken. Umso mehr erwarte ich von der neuen Parteiführung, dass sie sich verstärkt um den Wirtschaftsflügel der Union kümmert. Sie muss verhindern, dass Unternehmer aus Verbitterung über einen befürchteten weiteren sozialpolitischen Kurs der CDU den Rücken kehren. Die CDU wird nur dann eine Volkspartei bleiben, wenn auch Unternehmer in ihr eine politische Heimat haben. Auch deshalb wäre es ein starkes Signal der neuen Vorsitzenden, für Friedrich Merz eine herausragende Position im Bundeskabinett einzufordern.
Nach demVerlust des Finanzministeriums hatte die Kanzlerin versprochen, das Wirtschaftsministerium zu einem Gralshüter für Ordnungspolitik aufzuwerten. Dieser Versuch ist bisher leider fehlgeschlagen. Gerade in der für Wohlstand und Arbeitsplätze entscheidenden Frage der Energiepolitik scheinen dem Wirtschaftsminister künftige Koalitionsoptionen wichtiger zu sein als die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. So zeugt das Wettrennen am grünen Tisch über den frühest möglichen Ausstiegstermin aus der Kohleverstromung eher von Harakiri, nicht aber von einer durchdachten Energiepolitik. Allein dieses Beispiel zeigt, wie dringend die Union jetzt eine grundlegende wirtschaftspolitische Erneuerung braucht!