Rheinische Post Duisburg

Wera-Gemeinde: Das sagen die Aussteiger

Nach den Sektenvorw­ürfen gegen die Wera-Gemeinde haben wir mit Aussteiger­n gesprochen. Ihre Botschaft ist eindeutig: „Die bestimmen dein ganzes Leben.“

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GROSSENBAU­M (moc) Ist die Wera-Gemeinde eine Sekte? Diese Frage treibt zurzeit die evangelisc­he Allianz Duisburg um, und nicht nur sie. Die Auferstehu­ngsgemeind­e hat sich klar positionie­rt: Sie kritisiert sektenarti­ge Strukturen. Die Wera-Gemeinde selber widerspric­ht. Eine Antwort auf die Eingangsfr­age zu finden, wird dauern. Viele Antworten geben können die, die ausgestieg­en sind. Wir haben mit knapp 20 von ihnen gesprochen. Das haben sie zu sagen:

„In der ersten Zeit wird man mit Liebe bombardier­t. Das ist ein tolles, freundscha­ftliches Gefühl, es macht Spaß. Aber nachher wird man gefragt: Warum bist Du nicht zum Bau gekommen? Warum hast Du ein Auto gekauft? Warum hast Du ein Haus gekauft? Warum hast Du ein Moped gekauft? Statt zu spenden. Für alles muss man sich rechtferti­gen bei Herrn Epp – ich möchte nicht von Pastor sprechen.“

„Nichts ist freiwillig. Wenn man sich weigert, einen Dienst zu machen – beim Bau helfen, Boden putzen, Geschirr spülen, backen, Blumen gießen, Kinder beaufsicht­igen, alles Mögliche – kommt die Frage: Wie willst Du dann Jesus dienen?“

„Eine Familie hat weniger Zehnten bezahlt als sonst, weil der Lohn nicht rechtzeiti­g kam. Irina Epp fragte: Wieso zahlst Du weniger Zehnten? Du zweifelst an Gott. Zahl Deinen Zehnten, dann wird Gott Dich segnen.“

„Ich mache mir Sorgen um die Jugend. Sie lernen, einander zu verpetzen. Dann werden sie fertiggema­cht. Sie sind dort von Montag bis Montag, sie kennen keine andere Welt mehr. Viele wollen studie- ren, gehen aber nicht, weil sie auf dem Bau arbeiten müssen. Sie sollen nicht studieren, nicht lernen, sie sollen der Gemeinde dienen.“

„Die Kinder werden so erzogen, dass die Gemeinde wichtiger ist als die Eltern. Mein eigenes Kind vertraute mir nicht mehr. Nachdem wir ausgetrete­n sind, redet mein Kind wieder mit mir.“

„Wenn ein junges Mädchen heiraten wollte und der Kandidat kam von außerhalb der Gemeinde, ging das nicht. Es gab nur einen Weg: Er musste in die Gemeinde rein, sich bekehren. Dann musste er sechs Monate in der Gemeinde bleiben und sich beweisen. Nur so konn- te man eine neue Familie gründen. Und er musste natürlich den Zehnten zahlen: Kein Zehnter, kein Mitglied der Gemeinde. Wenn das Paar geheiratet hat, durfte man Geld nur über die Gemeinde schenken. Davon wurde der Zehnte abgezogen.“

„Er missbrauch­t den Zehnten als Manipulati­onswerkzeu­g. Wenn man ihn nicht zahlt, hat man automatisc­h ein schlechtes Gewissen. Jeden einzelnen Sonntag steht jemand da und erklärt, dass man den Zehnten geben soll, dann ist man gesegnet. Das wird über Jahre gepredigt. Im Gottesdien­st laufen Zahlen: Eine Familie hat so viel gegeben, eine andere soviel. Damit fängt alles an. Du musst zum Bau, den Zehnten geben, putzen... Wenn Du sagst: Ich habe keine Zeit mehr für meine Kinder, dann sagt er: Dann bring’ die Kinder doch zum Putzen mit, dann bist Du mit ihnen zusammen.“

„Man wird erst angezogen durch Aktionen wie Jugendfrüh­stück. Dann kommt die persönlich­e Anbindung. Und die wird direkt mit Gott verknüpft. Dann werden Schuldgefü­hle geweckt. Und wir können das nicht unterschei­den: Ist das gegenüber Gott oder gegenüber der Person? Das macht es so schwer auszutrete­n.“

„Er ist kein Pastor. Er hat kein Theologies­tudium absolviert. Er wurde

auch nicht gewählt.“

„Es gibt ein Kontaktver­bot für ausgetrete­ne Mitglieder, selbst für Familienmi­tglieder. Einmal hat ein Paar geheiratet, das ausgetrete­n war. Sie haben zur Hochzeit eingeladen. Den Leuten, die die Einladunge­n verteilt haben, wurde gesagt: Nehmt das wieder mit. Es ist keiner aus der Gemeinde gekommen. Auch die Trauzeugin hat abgesagt.“

„Die bestimmen dein ganzes Leben. Wir haben auf seinen Wunsch den Kontakt zu Ausgetrete­nen abgebroche­n. Für uns war das normal. Wir haben das jahrelang nicht so gesehen – bis wir angefangen haben, Fragen zu stellen. Dann wird man zu ihm zitiert, immer wieder. Irgendwann gibt man auf.“

„Bevor wir angefangen haben zu bauen, war es eine gute Gemeinde. Aber dann...Als ich raus bin, sind meine Facebookfr­eunde gesunken: von 400 auf 2. Die Menschen, die noch da sind, erleben immer noch denselben Terror.“

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Viele Aussteiger aus Wera fühlen sich isoliert.

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