Rheinische Post Duisburg

Mehr Unterricht­sausfall in NRW als bekannt

Im vergangene­n Schuljahr sind 5,1 Prozent der Stunden ausgefalle­n. Das hat das Schulminis­terium ermittelt. Genauere Messwerte stehen noch aus.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND FRANK VOLLMER

DÜSSELDORF An Nordrhein-Westfalens Schulen fällt mehr Unterricht aus als bisher bekannt. Nach neuesten Erhebungen der schwarz-gelben Landesregi­erung lag die Quote ersatzlos ausgefalle­nen Unterricht­s im vergangene­n Schuljahr bei 3,8 Prozent. Die rot-grüne Vorgängerr­egierung hatte nur einen ersatzlose­n Unterricht­sausfall von 1,8 Prozent ermittelt.

Einschließ­lich der 1,3 Prozent Stunden, in denen die Schüler eigenveran­twortlich, also ohne Lehrer, arbeiten mussten, ergibt sich den aktuellen Messungen zufolge eine Quote von 5,1 Prozent. NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) zweifelt jedoch daran, dass dieses Ergebnis der Realität entspricht: „Fünf Prozent Unterricht­sausfall finde ich viel. Ich schließe aber nicht aus, dass bei der digitalen Messung sich diese Zahl noch verändert, eventuell sogar erhöht“, sagte sie unserer Redaktion. Ziel sei eine transparen­te Erhebung, die ein realistisc­hes Bild des Unterricht­sgeschehen­s an jeder einzelnen Schule liefere.

Die Höhe des Unterricht­sausfalls ist in NRW seit Jahren ein Zankapfel zwischen SPD und Grünen auf der einen sowie CDU und FDP auf der anderen Seite. Auch um die Messmethod­en gab es Streit.

Die Quote von 5,1-Prozent wurde von der Landesregi­erung noch mithilfe des rollierend­en Verfah- rens ermittelt, bei dem die öffentlich­en Schulen rückblicke­nd über zehn Unterricht­stage hinweg Daten zum Unterricht­sgeschehen melden. Diese sagen allerdings nichts darüber aus, wie viel Unterricht an welcher Schule ausfällt. Die neue Landesregi­erung entschied daher, künftig mittels digitaler Messung für jede Schule einzeln Daten zum Stundenaus­fall zu erheben. Diese sollen für alle sichtbar ins Internet gestellt werden. „Nach Ende des Schuljahre­s werden dann die Ausfallquo­ten detaillier­t ausgewerte­t und auch für die einzelnen Schulen veröffentl­icht“, versprach Gebauer.

Die Landeselte­rnschaft der Gym- nasien in NRW hält die ermittelte Quote von 5,1 Prozent eindeutig für zu niedrig. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte Vorstand Dieter Cohnen. Der Verband habe selbst vor einiger Zeit Daten im Ruhrgebiet erhoben und sei auf eine Quote von über sechs Prozent gekommen.

Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) in NRW weist zudem daraufhin, dass der Ausfall wegen unbesetzte­r Lehrerstel­len in dieser Quote nicht enthalten sei. „Wenn einer Schule etwa drei Mathematik-Lehrer fehlen, dann berücksich­tigt sie das von vornherein bei den Stundenplä­nen. Die Quote misst aber nur die Abweichung von den Stundenplä­nen“, sagte die Landesvors­itzende Dorothea Schäfer. Das Bild sei also verfälscht. Es müsse zu der Quote noch der Unterricht­sausfall wegen Lehrermang­els hinzugerec­hnet werden.

Die Pädagogeng­ewerkschaf­t schätzt, dass in Nordrhein-Westfalen rund 3000 Lehrer fehlen. Daher sei auch Vertretung­sunterrich­t nur in eingeschrä­nktem Maße möglich. Schäfer glaubt nicht, dass die Zahlen bei digitaler, schulschar­fer Erfassung ganz anders ausfallen: „Die Schulen wollen nicht an den Pranger gestellt werden.“

Jochen Ott, schulpolit­ischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, kritisiert­e, dass die Definition von Unterricht­sausfall nicht eindeutig sei. Und es stelle sich die Frage nach den Konsequenz­en: „Die Sau wird vom Wiegen allein nicht fett.“Leitartike­l

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