Mehr Unterrichtsausfall in NRW als bekannt
Im vergangenen Schuljahr sind 5,1 Prozent der Stunden ausgefallen. Das hat das Schulministerium ermittelt. Genauere Messwerte stehen noch aus.
DÜSSELDORF An Nordrhein-Westfalens Schulen fällt mehr Unterricht aus als bisher bekannt. Nach neuesten Erhebungen der schwarz-gelben Landesregierung lag die Quote ersatzlos ausgefallenen Unterrichts im vergangenen Schuljahr bei 3,8 Prozent. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte nur einen ersatzlosen Unterrichtsausfall von 1,8 Prozent ermittelt.
Einschließlich der 1,3 Prozent Stunden, in denen die Schüler eigenverantwortlich, also ohne Lehrer, arbeiten mussten, ergibt sich den aktuellen Messungen zufolge eine Quote von 5,1 Prozent. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zweifelt jedoch daran, dass dieses Ergebnis der Realität entspricht: „Fünf Prozent Unterrichtsausfall finde ich viel. Ich schließe aber nicht aus, dass bei der digitalen Messung sich diese Zahl noch verändert, eventuell sogar erhöht“, sagte sie unserer Redaktion. Ziel sei eine transparente Erhebung, die ein realistisches Bild des Unterrichtsgeschehens an jeder einzelnen Schule liefere.
Die Höhe des Unterrichtsausfalls ist in NRW seit Jahren ein Zankapfel zwischen SPD und Grünen auf der einen sowie CDU und FDP auf der anderen Seite. Auch um die Messmethoden gab es Streit.
Die Quote von 5,1-Prozent wurde von der Landesregierung noch mithilfe des rollierenden Verfah- rens ermittelt, bei dem die öffentlichen Schulen rückblickend über zehn Unterrichtstage hinweg Daten zum Unterrichtsgeschehen melden. Diese sagen allerdings nichts darüber aus, wie viel Unterricht an welcher Schule ausfällt. Die neue Landesregierung entschied daher, künftig mittels digitaler Messung für jede Schule einzeln Daten zum Stundenausfall zu erheben. Diese sollen für alle sichtbar ins Internet gestellt werden. „Nach Ende des Schuljahres werden dann die Ausfallquoten detailliert ausgewertet und auch für die einzelnen Schulen veröffentlicht“, versprach Gebauer.
Die Landeselternschaft der Gym- nasien in NRW hält die ermittelte Quote von 5,1 Prozent eindeutig für zu niedrig. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte Vorstand Dieter Cohnen. Der Verband habe selbst vor einiger Zeit Daten im Ruhrgebiet erhoben und sei auf eine Quote von über sechs Prozent gekommen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW weist zudem daraufhin, dass der Ausfall wegen unbesetzter Lehrerstellen in dieser Quote nicht enthalten sei. „Wenn einer Schule etwa drei Mathematik-Lehrer fehlen, dann berücksichtigt sie das von vornherein bei den Stundenplänen. Die Quote misst aber nur die Abweichung von den Stundenplänen“, sagte die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Das Bild sei also verfälscht. Es müsse zu der Quote noch der Unterrichtsausfall wegen Lehrermangels hinzugerechnet werden.
Die Pädagogengewerkschaft schätzt, dass in Nordrhein-Westfalen rund 3000 Lehrer fehlen. Daher sei auch Vertretungsunterricht nur in eingeschränktem Maße möglich. Schäfer glaubt nicht, dass die Zahlen bei digitaler, schulscharfer Erfassung ganz anders ausfallen: „Die Schulen wollen nicht an den Pranger gestellt werden.“
Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, kritisierte, dass die Definition von Unterrichtsausfall nicht eindeutig sei. Und es stelle sich die Frage nach den Konsequenzen: „Die Sau wird vom Wiegen allein nicht fett.“Leitartikel