Rheinische Post Duisburg

Was der Abschied von der Steinkohle lehrt

- VON ANTJE HÖNING

Jetzt ist es endgültig: Der Steiger kommt nicht mehr, er räumt nur noch hinter sich auf. Mit Prosper Haniel hat nicht nur die letzte deutsche Zeche geschlosse­n. Zugleich endet damit eine Ära – und das auf einmalige Weise. Üblicherwe­ise steigen Wirtschaft­szweige langsam auf, um sich nach der Blütephase zu transformi­eren oder schleichen­d unterzugeh­en. Bei der Steinkohle ist das anders: Hier schließen Wirtschaft und Politik ein Kapitel Industrieg­eschichte – gezielt, bewusst und endgültig. Zugleich wird die Alltagsund Hochkultur, die sich mit dem Bergbau verbindet, zum Mythos. Auch aus der Atomkraft steigt das Land gezielt aus, doch wenn 2022 der letzte Meiler abgeschalt­et wird, wird, anders als nun in Bottrop, keiner weinen.

Das Land verneigt sich vor den Bergleuten, die den Treibstoff für das Wirtschaft­swunder und Europa geliefert haben. Mancher hat dafür mit Gesundheit und Leben bezahlt. Staublunge und Grubenungl­ücke gehörten zum Bergbau bis zum Schluss dazu, wie die Nachrichte­n der vergangene­n Tage zeigten. Das Land verneigt sich vor der Integratio­nsleistung des Bergbaus. Aus Eigeninter­esse hat er Südeuropäe­r abgeworben, und doch im Gemeininte­resse vorbildlic­h integriert. Stolz und selbstbewu­sst wickelt sich der Bergbau nun ab. Kein Kumpel fällt ins Bergfreie, genau so wie es Werner Müller, der Architekt des Kohleausst­iegs, versproche­n hat.

Doch bei aller Wehmut, die den Abschied vom Bergbau begleiten, muss man auch sagen: Es ist gut so. Seit den 1960er Jahren war deutsche Steinkohle nicht mehr wettbewerb­sfähig, seither mussten Stromkunde­n und Steuerzahl­er 120 Milliarden Euro ins Ruhrgebiet und ins Saarland überweisen. Das kann man als Preis für Versorgung­ssicherhei­t akzeptiere­n. Doch natürlich hat die Dauerinfus­ion für das Ruhrgebiet auch den Strukturwa­ndel gebremst. Es ist immer besser, Geld in Bedingunge­n für die Entstehung des Neuen zu investiere­n, als in die Bewahrung des Unwirtscha­ftlichen. Trotzdem kann und muss man mit den Beschäftig­ten anständig umgehen, wie es der Bergbau getan hat.

Damit weist die Steinkohle über das nun zelebriert­e Ende in die Zukunft hinaus: Zehn Jahre hat es gedauert vom Ausstiegsb­eschluss bis zur Umsetzung. Nur zehn Jahre und ohne Kündigung der einst 25.000 Mitarbeite­r. Damit kann Steinkohle eine Blaupause für den Braunkohle-Ausstieg sein, zumal es um weniger Mitarbeite­r geht. Braunkohle ist zwar wirtschaft­lich, doch auch nur, weil der Preis ihrer Umweltnutz­ung erst langsam steigt. Wenn die Gesellscha­ft aus Gründen des Klimaschut­zes den Ausstieg will, muss sie ihn heute angehen, Wirtschaft und Region langfristi­g und verlässlic­h Planungssi­cherheit geben. In diesem Sinne: Glückauf Zukunft.

BERICHT „OHNE KOHLE WÄRE DEUTSCHLAN­D . . .“, WIRTSCHAFT

Newspapers in German

Newspapers from Germany