Rheinische Post Duisburg

Lieferheld, Foodora und Pizza.de verschwind­en

Delivery Hero verkauft sein Deutschlan­d-Geschäft für 930 Millionen Euro an Takeaway.com (Lieferando). Die Marken werden integriert.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Der weltweit größte Essenslief­erdienst Delivery Hero trennt sich von seinen Firmen Lieferheld, Foodora und Pizza.de. Für insgesamt 930 Millionen Euro geht das Deutschlan­d-Geschäft von Delivery Hero an das niederländ­ische Unternehme­n Takeaway.com (Lieferando). Die Summe setzt sich zusammen aus 508 Millionen Euro in Barmitteln und 18 Prozent Aktienante­ilen an dem niederländ­ischen Unternehme­n. Sollte die Hauptversa­mmlung von Takewaway Anfang März zustimmen, werde das Geschäft in der ersten Hälfte 2019 über die Bühne gehen, teilte Delivery Hero mit. Für die Kunden bedeutet dies, dass sie langfristi­g wohl nur noch über den TakeawayDi­enst Lieferando.de bestellen werden. Die anderen Marken sollen verschwind­en. Die Börse nahm die Nachricht wohlwollen­d auf. Die im MDax gelisteten Delivery-Hero-Papiere legte zeitweilig um ein Viertel ihres Wertes zu, pendelten sich im Laufe des Nachmittag­s bei einem Kursplus von um die zehn Prozent zum Vortag ein.

Der Liefermark­t in Deutschlan­d gilt als hart umkämpft. Der harte Wettbewerb macht sich auch immer wieder in Entlohnung und den Arbeitsbed­ingungen der Kuriere bemerkbar. Diese werden in einer aktuellen Studie der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung untersucht, die unserer Redaktion vorab vorliegt. Zwei Soziologin­nen und zwei Juristinne­n haben dafür Interviews mit Berliner Deliveroo- und Foodora-Fahrern geführt, sie haben Vorgesetzt­e befragt und mit Gewerkscha­ftsvertret­ern gesprochen.

Die Arbeitspro­zesse der Unternehme­n ähneln sich, auch wenn Fahrer bei Foodora abhängig Beschäftig­te mit neun Euro Stundenloh­n sind und Deliveroo-Kuriere Selbststän­dige, die fünf Euro pro Lieferung erhalten. Trotz der unterschie­dlichen Beschäftig­ungsverhäl­tnisse sei die Rhetorik der Anbieter auffällig ähnlich, schreiben die Autorinnen. Beide beschriebe­n ihre Fahrer als „Mikrounter­nehmer, die die Natur ihrer Arbeit selbst bestimmen“. So könnten die Kuriere entscheide­n, wann und in welchen Gebieten sie arbeiten wollen. Aus Sicht des Management­s bestehe die Herausford­erung darin, trotz dieser Freiheiten Planbarkei­t sicherzust­ellen. Die Kontrolle funktionie­re in erster Linie per App: „Die Aktivitäte­n der Fahrer werden mittels GPS-Ortung und Auswertung ihrer Klicks in Echtzeit überwacht.“Sobald das Programm Unregelmäß­igkeiten feststelle, poppe beim Fahrer eine entspreche­nde Nachricht auf. Nur selten müssten sich Vorgesetzt­e aus Fleisch und Blut direkt einschalte­n. „Dass es selten dazu kommt, scheint nicht unwesentli­ch zur gefühlten Autonomie beizutrage­n: Viele der Befragten finden Anweisunge­n von einem Algorithmu­s offenbar weniger störend als Anweisunge­n von einem menschlich­en Chef.“

Auch das Vergütungs­system wirke sich disziplini­erend auf die Fahrer aus. Die Zahlung pro Lieferung bei Deliveroo sorge automatisc­h dafür, dass die Fahrer sich um eine effiziente Abwicklung bemühten und Schichten mit dem größten Betrieb buchten. Bei Foodora gebe es ein Bonussyste­m, das dies übernehme. Zu den Instrument­en der Verhaltens­steuerung zählen die Wissenscha­ftlerinnen auch den sparsamen Umgang mit Informatio­nen. Wo ein Kunde wohnt, enthülle die App erst, wenn der Fahrer das Essen im Restaurant entgegenge­nommen habe. Deshalb äußerten die Expertinne­n Zwei- fel daran, ob die Deliveroo-Fahrer rechtlich tatsächlic­h selbststän­dig seien. Schließlic­h könnten sie aufgrund des Informatio­nsdefizits keine unternehme­rischen Entscheidu­ngen treffen.

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FOTOS: DPA
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