„Ich werde Styropor-Becher verbieten“
Die Bundesumweltministerin über die wachsenden Plastikberge und die Konsequenzen der Klimakonferenz.
BERLIN Vor Umweltministerin Svenja Schulze (50) steht ein Teller mit Weihnachtsgebäck, doch sie rührt es nicht an. Lieber trinkt die Düsseldorferin während unseres Interviews in ihrem Berliner Ministerbüro eine Tasse heißen Darjeeling.
Frau Schulze, ist Weihnachten aus Sicht der Umweltministerin ein Fest der Müllberge?
SCHULZE Nein, Weihnachten ist ein Fest, bei dem die Familien miteinander feiern und sich selbstverständlich gegenseitig beschenken sollen.
Nehmen die Bürger Appelle zur Müllvermeidung ernst?
SCHULZE Mit unseren Maßnahmen gegen Plastikmüll stoßen wir bei den Bürgern auf offene Ohren. Immer mehr Verbraucher wünschen unverpackte Waren. Warum muss man denn kleine Elektroartikel in große Plastikpackungen stecken oder Obst und Gemüse unter Folien verschweißen?
Werden denn ausreichend Waren ohne Verpackung angeboten? SCHULZE Daran arbeiten wir. Mehrweg ist immer die bessere Alternative zu Wegwerf-Artikeln. Es gibt bereits viele Mehrweg-Initiativen, die zum Beispiel den Kaffee günstiger verkaufen, wenn man seinen eigenen Becher mitbringt. Das finde ich gut.
Damit lassen sich die Mengen an Wegwerf-Kaffeebechern wirklich vermeiden?
SCHULZE Freiwilligkeit alleine reicht nicht. Auf Grundlage der neuen EU-Richtlinie gegen überflüssige Wegwerfartikel werden wir zunächst Styropor-Becher verbieten. Wir lassen außerdem gerade erforschen, mit welchen Maßnahmen wir den Konsum von Wegwerfbechern insgesamt am besten reduzieren können. Die neuen EU-Beschlüsse geben uns da ein ausdrückliches Mandat. Außerdem wird das neue Verpackungsgesetz ab dem nächsten Jahr dafür sorgen, dass diejenigen Hersteller weniger Lizenzentgelt zahlen müssen, die Recyclingkunststoff verwenden oder deren Produkte gut recyclingfähig sind. Das gilt für Kaffeebecher wie für alle anderen Alltags-Verpackungen auch.
Ist der Plastikmüll in den vergangenen Jahren gestiegen?
SCHULZE Ja, die Menge von Plastikmüll hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Das liegt unter anderem an der Zunahme kleinerer Haushalte, die extra abgepackte kleine Mengen benötigen. Von 1991 bis 2016 hat sich der jährliche Verbrauch von Kunststoffverpackungen im Haushalt von rund zwölf Kilogramm auf heute rund 25 Kilogramm pro Person in etwa verdoppelt. Hier wollen wir die Trendwende schaffen.
Wie laufen die Bemühungen des Einzelhandels, die Zahl der Plastiktüten zu reduzieren?
SCHULZE Der Einzelhandel ist ein Beispiel dafür, dass der Dialog zur Vermeidung von Müll funktioniert. Die Bundesregierung war auf den Einzelhandel wegen der Plastiktüten zugegangen. Mit Erfolg: Seit 2016 ist der Einsatz von Plastiktüten im Einzelhandel um zwei Drittel zurückgegangen. Nach demselben Prinzip wollen wir im neuen Jahr auch mit anderen Branchen darüber reden, wie man Plastikverpackungen vermeiden kann.
Warum machen Sie sich als Umweltministerin in der Bundesregierung nicht für ein Tempolimit 120 auf deutschen Autobahnen stark? SCHULZE Weil die Debatte um ein Tempolimit ablenken würde von dem, was wirklich notwendig ist. Wir müssen den Verkehr insgesamt sauberer machen und intelligenter organisieren. Der Verkehrsminister soll Anfang 2019 ein Gesamtkonzept liefern, wie im Verkehrssektor der CO2-Ausstoß ausreichend reduziert werden soll. Bisher trägt der Verkehrssektor noch gar nichts zum Klimaschutz bei, die CO2-Emis- sionen im Verkehr steigen sogar. Ein Tempolimit ist da kein Allheilmittel.
Darum geht es ja auch nicht: Ein Tempolimit wäre nur eine von mehreren Schrauben, an denen man drehen würde, um die Klimaziele zu erreichen.
SCHULZE Aber es ist eben nur eine kleine Schraube und keine entscheidende. Wenn der zuständige Verkehrsminister in seinem Klima-Maßnahmenpaket nächstes Jahr zu einer anderen Auffassung kommen sollte, bin ich aber gerne bereit, mir seine Argumente anzuhören.
Deutschland muss 2019 beim Klimaschutz entscheidend vorankommen, haben Sie nach Kattowitz gesagt. Wie soll das gelingen? SCHULZE Alle in der Bundesregierung verspüren den Druck, beim Klimaschutz jetzt liefern zu müssen. Ich freue mich sehr, dass die Kanzlerin und der Wirtschaftsminis-
ter nach der Klimakonferenz in Kattowitz gesagt haben, dass wir jetzt vorankommen müssen. Alle Ministerien haben von mir die Vorgabe erhalten, ihre konkreten Maßnahmenpläne abzuliefern, wie wir in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Energiewirtschaft unsere Klimaziele bis 2050 erreichen. Wir brauchen dieses Gesamtkonzept 2019 und wir brauchen auch ein Klimaschutzgesetz, das die Ziele für alle Sektoren verbindlich festschreibt. Das kommende Jahr ist das entscheidende Jahr für den deutschen Klimaschutz. Wenn wir 2019 nicht vorankommen, wird es für uns alle sehr teuer werden.
Wie teuer wird der Kohleausstieg? SCHULZE Wenn die Landwirte ihre Felder nicht mehr bestellen können, weil es zu trocken ist, wenn die Binnenschiffer nicht mehr fahren können, weil die Flüsse ausgetrocknet sind, wenn Überschwemmungen Häuser unbewohnbar machen, dann wird es richtig teuer. Je später wir aktiv werden, desto höher sind die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Klimawandels. Deshalb brauchen wir jetzt den schnellen Kohleausstieg. Es geht um Milliardenhilfen für die Kohleregionen und Entschädigungen für die Energiekonzerne. Ich erwarte vom Wirtschaftsminister, dass er so verhandelt, dass sich die Kosten des Kohleausstiegs für Stromverbraucher und Steuerzahler in engen Grenzen halten.