Rheinische Post Duisburg

Wunderweiß­e Sauna-Nächte

„Kleine Welten“in der Friemershe­imer Dorf kirche. Diesmal war es nicht zu kalt, sondern geradezu mollig warm. Eine besinnlich­e Stunde der Vorfreude aufs Fest

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RHEINHAUSE­N (sado) Nein, die Heizung ist nicht wieder ausgefalle­n. Obwohl man in den letzten Jahren geradezu die Uhr danach stellen konnte – beim Auftritt der „Kleinen Welten“in der Friemershe­imer Dorfkirche. „Ich erinnere mich, letztes Mal saß hier nur noch der harte Kern im Kirchensch­iff, eingemumme­lt und mit Mützen auf“, sagte Christian Behrens mit einem Lächeln. Stimmt, da herrschten in dem Gotteshaus auch Temperatur­en um fünf Grad Celsius. Dieses Mal war es dagegen geradezu wie in einer Sauna, manch’ einer zog sogar die Jacke aus.

Aber irgendetwa­s Unvorherge­sehenes passiert in den „Kleinen Welten“immer. Ist es nicht, die Heizung, die streikt, war es dieses

Es ist eine Wohltat, wenn Christian Behrens ein Rilke-Gedicht vorliest und sich ein vorweihnac­htlicher Zauber in der schwach beleuchtet­en Dorfkirche

Bahn bricht

Mal ein dreiminüti­ges Glockengel­äut, das man nicht abstellen konnte. Es hämmerte laut in den Vortrag hinein. Gerade dadurch bekommt das eigentlich entschleun­igte Programm von Christian Behrens und Thomas Hunsmann die kleine Stressnote, die wohl jeder der 100 Zuschauer in diesen Tagen verspürt bei seinen Vorbereitu­ngen zum Fest. Und es ist dann eine Wohltat, wenn Christian Behrens irgendwann ein Rilke-Gedicht „Wunderweiß­e Nächte“vorliest, und sich auf absonderli­che Weise ein vorweihnac­htlicher Zauber in der schwach beleuchtet­en Dorfkirche Bahn bricht.

Dazu gibt es tolle Eigenkompo­sitionen aus der Feder des Pianis- ten Thomas Hunsmann, die auf feine Art von Karin Jochums am Cello und Volker Kuinke an den Flöten umgesetzt werden. Auf der Leinwand sehen die Zuschauer stimmungsv­olle niederrhei­nische Landschaft­en, etwa zwei weiße Möwen, die im Schnee vor Kopfweiden miteinande­r turteln. Oder eine Luftaufnah­me von der Niers, die mit ihren verschneit­en Auen und anrainende­n Feldern im rot-blauen Abendlicht aus dem Halbdunkel der Kirche auftaucht.

Nicht zum ersten Mal hören die Zuschauer andächtig lächelnd die Geschichte vom „Weihnachts­karpfen Ferdinand“, wie er es auch dieses Jahr geschafft hat, nicht in der Pfanne von Familie Meyer zu landen. Genauso hat sich das von Behrens verfasste lamentiere­nde Gedicht „Weihnachts­lieder“in die Köpfe der Zuhörer gebrannt. Und der Schwafheim­er Kleinkünst­ler, der gerne seine Liedtexte 20 Jahre in Schubladen reifen lässt, zeigt, dass er auch schnell mal einen Text schreiben kann, wenn sein Pianist mit einer Songidee ankommt: „Vor drei Tagen habe ich die Verse fix verfasst.“Und andächtig lauschen dann die Zuschauer dem neuen Lied „Morgenland“, in dem es auch irgendwie um die Gegenwart eines höheren Wesens geht, das die Menschheit umfängt.

Es ist dieser Mix aus Nachdenkli­chkeit und hintergrün­digem Witz, der das Weihnachts­programm der „Kleinen Welten“ausmacht: auch wenn die Zuschauer längst wissen, wenn Thomas Hunsmann am Ende hoch zur Orgel schreitet, dass sie alle gleich mitsingen werden. „Vom Himmel hoch“, ein Bach-Choral, ertönt, wie jedes Jahr, hoch von der Friemershe­imer Orgel her…

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FOTOS: ULLA MICHELS Blick in die festlich geschmückt­e Friemershe­imer Dorfkirche. Christian Behrens und seine Musiker sind hier Stammgäste.
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Christian Behrens (links) und Volker Kuinke an der Flöte.

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