Zwischen Kerzen, Kartons und Köttbullar
Bei Ikea konsumiert jeder anders. Ein Besuch in der Reisholzer Filiale zeigt, wie groß die Unterschiede sind.
Ein schwedisches Möbelhaus spaltet Deutschland: Für die einen ist Ikea ein Zufluchtsort, der zu ausgedehnten Spaziergängen einlädt, eine Art Freizeitpark mit Möbeln. Für die anderen ist es ein Horror-Labyrinth, bei dem es gilt, schnellstmöglich den Ausgang zu finden. Wir haben die Düsseldorfer Ikea-Filiale in Reisholz besucht und dabei die unterschiedlichsten Einkaufsstrategien kennengelernt. Im Möbelhaus sucht jeder das Glück auf seine eigene Weise.
„Wir haben uns heute vier bis fünf Stunden genommen“, sagen Inge Schmidt und ihre Tochter. Dabei wollen die beiden an diesem Tag nicht einmal etwas kaufen. Denn: Auf einen Ikea-Besuch folgt für die beiden immer ein zweiter. Das erste Mal, so erklärt es die 66-jährige Schmidt, wird nur geschaut und gemessen. Danach misst sie noch einmal alles in ihrer Wohnung nach und schläft eine Nacht darüber. Erst dann folgt der Gang zur Kasse.
Es ist also kein Wunder, dass Inge Schmitt rund sechs Mal im Jahr bei Ikea ist. Eigentlich will sie an diesem Tag ein Bett finden, steht aber seit 30 Minuten vor einem niedrigen, ausziehbaren Tisch aus brau- nem Holz. „Wenn ich könnte, würde ich jedes Mal eine ganze Wohnung kaufen“, sagt sie.
Menschen wie Schmidt sind die hartgesottenen Ikea-Fans. Davon gibt es einige. 53 Standorte hat Ikea allein in Deutschland, die Bundesrepublik ist der wichtigste Markt für den Konzern. Bei jedem Besuch geben die Kunden hierzulande im Schnitt 94 Euro aus. Dafür müssen sie nicht mal lange Zeit in der Filiale verbringen. „Das erste was ich hier mache, ist zu schauen, wo der Shortcut ist“, sagt Reiner Brauer. Mit der Abkürzung zieht der 62-jährige vorbei am Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer und landet direkt bei Spiegeln und Lampen. Von da sind es nur wenige Schritte zur Lagerhalle. „Ich esse 30 Minuten und kaufe 30 Minuten ein, das reicht.“
Brauer ist ein praktischer Kunde. Er schätzt seine Zeit, Ungeplantes landet nur selten in seinen Einkaufswagen – höchstens Batterien an der Kasse. Trotzdem kommt er in die Filiale. „Ich könnte das alles im Internet bestellen, aber das mag ich nicht. Ich will fühlen, greifen, anfas- sen.“Einmal die Schublade ausziehen, die Finger über die Bettwäsche streifen lassen – dafür reicht die Zeit, auch bei einem praktischen Kunden. Aber erst einmal zum Restaurant. Es muss nicht immer Köttbullar sein. Brauer hat das Schnitzel für sich entdeckt, dazu ein Malzgetränk: „Lecker, aber kein Daueressen.“
Jeder konsumiert bei Ikea eben anders. Pia Berger (34) und ihr Lebensgefährte Björn Spahlinger (41) haben eigentlich ein konkretes Ziel, sie wollen für ihr Baby einkaufen. Dabei wird es nicht bleiben, das wissen die beiden ganz genau. „70 Prozent von dem, was wir kaufen, planen wir im Voraus, die restlichen 30 kommen spontan dazu“, sagt Spahlinger. Jan Koch, ein 22-Jähriger mit buschigem schwarzen Bart und blauem Cappy will eine Pflanze für seine Wohnung kaufen. Seine zwei Kriterien dafür: groß und günstig. „Schnell rein und schnell wieder raus“, das ist sein Plan, nur 30 Minuten sollen es insgesamt werden.
Für Josephine und Gerhardt Staubach ist es schon der zweite Ikea-Besuch für den Tag. „Meine Frau weiß normalerweise immer, was sie will“, sagt der 84-Jährige. Dank solcher Sätze übersteht das Paar wohl ein Einkaufserlebnis, woran schon manch andere Beziehung gescheitert ist. Eine Stunde lang konnte das Paar die gesuchten Ersatzbretter für den Kleiderschrank nicht finden. „Dann sind wir erstmal nach Hause gefahren und haben uns gestärkt.“Jetzt sind sie wieder hier, und siehe da, zwischen den Hunderten in Kartons eingepackten Brettern in den Regalen der Lagerhalle finden sie doch das Gesuchte.
Während die Staubachs nach der genauen Nummer für die Bretter gesucht haben, leitet andere bei ihrem Besuch im Möbelhaus eine andere Motivation. Im Fall von Sara Basile ist es Inspiration.
Ein eingerichteter dunkelbrauner Tisch mit blauen Tischdecken, blauen Schüsseln und Kerzenständer aus durchsichtigem Glas würde die 30-Jährige am liebsten sofort kaufen. Etwa drei Mal im Jahr besucht die 30-Jährige das Möbelhaus, dabei schlendert sie gemütlich zwischen den dekorierten Möbeln. „Ich bin selten hier, aber wenn schon, dann auch richtig“, sagt sie. Was das für sie konkret heißt? „Vier Stunden sind auf jeden Fall drin“, meint sie lächelnd.